Das clevere Krankenrückkehrgespräch: Krankenstand runter, Motivation rauf

Krankenstände sind immer lästig und teuer sowieso. Doch wieso sind hohe Krankenstände in manchen Unternehmen und Teams überhaupt kein Thema und in anderen Dauerbrenner? Die Lösung ist nicht leicht, doch einfach. Geh ran an den Menschen! Krankenrückkehrgespräch: Krankenstand runter, Motivation rauf.

Wie bei allen meinen Beiträgen und meiner Arbeit mit Kunden überhaupt, geht es mir in erster Linie darum, ein Miteinander zu entwickeln, das sicher und menschlich die Ziele des Unternehmens erreichen lassen. Was immer vorteilhaft für alle Beteiligten ist. Die bei diesem Thema wichtige arbeitsrechtliche Seite spreche ich zwar an, strebe jedoch keine rechtlich vollständige Darstellung an. Alle diesbezüglichen Informationen erhältst Du durch eine einfach Internetrecherche oder frage Deinen Hausanwalt.

In diesem Beitrag erfährst Du:
  1. Wieso Krankenrückkehrgespräche unabdingbar sind
  2. Wie einer meiner Kunden Krankenstände auf ein verschwindendes Maß reduziert
  3. Wie Du ein cleveres Krankenrückkehrgespräch führst
  4. Wie Du sich dabei verhältst und was Du fragst
  5. Wieso Krankenrückkehrgespräche nur bei Lückenlosigkeit funktionieren
  6. Wieso „Tarnen und Täuschen” immer nach hinten losgeht
  7. Wieso Vertrauen immer nur mit Vorschuss funktioniert
  8. Wie Du mit „Sorgenkindern” umgehst
  9. Auf welche Kreisschlüsse Du achten solltest
  10. Aus meinem Nähkästchen geplaudert
1. Krankenrückkehrgespräche sind unabdingbar, weil…
  • Du „Blaumachen” zuverlässig auf ein Mindestmaß reduzierst
  • Du Missständen jedweder Art schneller auf die Schliche kommst: krank machende Arbeitsumgebungen, -bedingungen oder -materialien, gefährliche Situationen, psychische Fehlbelastungen wie Mobbing (hier mehr dazu) usw.
  • Du jede Gelegenheit zu 4-Augen-Gesprächen mit Deinen Leuten nutzen solltest
  • Du Deine Fürsorgepflicht optimal nachkommen kannst
  • ehrlich durchgeführt, Du Euer Betriebsklima, damit Eure Unternehmenskultur und wiederum damit Eure Arbeitgebermarke deutlich verbesserst (hier mehr dazu)
  • Du Deine Führungsrolle stärkst (mehr dazu hier)
2. Aus dem echten Leben: Offensiv wirkt präventiv

Einer meiner Kunden sagt zu neuen Mitarbeitern und wenn einer offensichtlich einen schlechten Tag hat: „Komme nur fit in die Arbeit. Lieber bleibst Du zu hause und kurierst Dich richtig aus, bevor Du mir den halben Laden ansteckst. Auch geht schlechte Laune im Team und Kundenkontakt gar nicht.”
Er hat damit durchschlagenden Erfolg: auffällig niedriger Krankenstand, beste Laune im Team, sein Laden brummt.

3. Wie führst Du ein cleveres Krankenrückkehrgespräch?

Wie Du ein wirklich cleveres Krankenrückkehrgespräch führst, weißt Du bereits: Was tust Du, wenn Dein Absolut-Top-und-überhaupt-auch-menschlich-Lieblings-Mitarbeiter nach einer Woche Krankheit das Büro betritt? Da musst Du keinen Bruchteil einer Sekunde überlegen: Du springst auf, gehst ihm freudestrahlend entgegen und fragst aus purer Anteilnahme nach dem Befinden. Du denkst keine Spur darüber nach, welche Fragen Du da stellen darfst. Du freust Dich einfach nur, dass er wieder da ist. (Und Dir die Kastanien aus dem Feuer holt, gelle? ;-))
Oder wie wolltest Du nach einer Grippe-Woche begrüsst werden?

Automatisch machst Du alles richtig

Du weißt selbst, dass sich dieses (Krankenrückkehr-)Gespräch ganz von selbst zu einem für beide sehr angenehmem Plausch entwickelt. Obwohl kein Plan oder Leitfaden führt, erfahren beide auf geradezu spielerische Weise, was interessiert. Gleichzeitig fragt sich keiner der beiden, ob er Dies nun darf oder Jenes muss.

Der Mitarbeiter

  • Fragt sich nicht, ob er überhaupt am Gespräch teilnehmen muss (müsste er)
  • Wird nicht auf die Idee kommen, einen Betriebsratsvertreter zum Gespräch mitzubringen (dürfte er)
  • Überlegt nicht lange, ob er Krankheitssymptome schildert, sondern tut es spontan (müsste er nicht)
  • Zeigt mehr oder weniger aktiv mögliche Kritikpunkte an gesundheitsgefährdenden Arbeitsbedingungen auf (müsste er), die auch andere Mitarbeiter betreffen können

Die Führungskraft

  • Zeigt durch ihre Emotionen, wie sehr sie menschlich am Wohlergehen des Mitarbeiters interessiert ist (müsste sie nicht, ist aber 99 % der Erfolgswirkung eines gelungenen Krankenrückkehrgespräches. Hier Input zur inneren Einstellung.)
  • Wird ernsthaft und nicht vordergründig wissen wollen, ob es für die Erkrankung betriebliche Ursachen gibt (müsste sie)
  • Wird nicht nach Krankheitssymptomen fragen, oder ob es wiederkehrend die gleichen sind (dürfte sie nicht)
  • Wird nicht anzweifeln, ob der Mitarbeiter zukünftig evtl. die Arbeit nicht mehr leisten kann (dürfte sie nicht)
4. Wie verhältst Du Dich im Krankenrückkehrgespräch?

1. Gelassen. Ausgesprochen gelassen. Laß Dir Zeit. Laß Deinen Mitarbeiter nach seiner Krankheit wieder am Arbeitsplatz ankommen. Manche sind noch nicht so wirklich fit, andere brauchen einfach eine gewisse Zeit, um sich unbefangen zu unterhalten. Dein Mitarbeiter muss erst einmal realisieren, dass es Dir wirklich um ein gesundes, Krankheit vermeidendes Arbeitsklima geht. Und dass es Dir um ihn geht. Dafür habt Ihr beide nun Zeit, Euch ein paar Gedanken zu machen. Mit Schnellschnell übersieht man da leicht wichtige Details. Laß Deinen Mitarbeiter erzählen. Manchmal ist einfach nur da zu sein und Zuhören die wirksamste Medizin.

2. Berichte, was während seiner Abwesenheit im Unternehmen vorgefallen ist, was sich Neues getan hat und inwiefern ihn das betrifft. Auch, wie seine Krankheitsvertretung zurecht gekommen ist. (Wäre auch ein guter Ansatz um die Wirksamkeit von Vertretungsregelungen zu prüfen) Dies rein um ihn zu informieren. Damit zeigst Du Interesse daran, wie gut und schnell Dein Mitarbeiter nach der Erkrankung wieder Tritt fasst. Das stärkt das Vertrauen und zeigt, dass er eine Lücke hinterlassen hat.
Unterschätze diese Wirkung auf die Motivation nicht! Dein Mitarbeiter will genauso gebraucht werden wie Du selbst. Wer ehrliche Wertschätzung erfährt, der will dieser auch gerecht werden und hängt sich entsprechend rein. Wer sich überheblich aufplustert und signalisiert „ohne mich läuft hier eh nichts”, der lechzt nach aufrichtiger Anerkennung und gleichzeitig satten Herausforderungen.

Was fragst Du im Krankenrückkehrgespräch?
  1. Fühlen Sie sich wieder richtig fit? Falls nicht, bitte bleiben Sie noch zu hause und kurieren sich vollständig aus. Lieber bleiben Sie länger zu hause, dafür sind Sie dann wieder richtig fit.
  2. Gibt es für Ihre Erkrankung irgendwelche Ursachen hier in der Arbeit? Hatten Sie sich verletzt? Reagieren Sie auf irgendetwas allergisch? Fühlen Sie sich auf irgendeine Weise überlastet? Hatten Sie Streit mit jemandem? Passt sonst irgendetwas nicht? Was sollten wir ändern?
  3. Reden lassen
  4. Sollte kein halbwegs Redefluss zu Stande kommen: „Kann ich Ihnen grundsätzlich irgendwie behilflich sein?”
  5. Abschluss: „Dann wünsche ich Ihnen einen guten Start. Wenn ich Ihnen irgendwie helfen kann, kommen Sie gerne.”
5. Das Krankenrückkehrgespräch funktioniert nur bei Lückenlosigkeit

Willst Du das Krankenrückkehrgespräch als cleveres Instrument nutzen, um vorgetäuschte Krankheitsstände zu eliminieren, musst Du es lückenlos bei jeder noch so kurzen krankheitsbedingten Abwesenheit eines Mitarbeiters durchführen. Ja, auch bei einer einmaligen Freitag- oder Montagserkrankung Deines Absolut-Top-und-überhaupt-auch-menschlich-Lieblings-Mitarbeiters. Denn entweder Du wendest diese Maßnahme zur strategisch-systemischen Personalführung an oder nicht. Sonst schöpfen unter Garantie genau Deine „Sorgenkinder” Verdacht und lassen sich auf ein menschlich warmes Krankenrückkehrgespräch nicht ein. Wie die Schießhunde werden sie auf rechtliche Ungenauigkeiten durch Dich warten und sich obendrein reserviert zeigen. Außerdem kann auch eine einmalige Kurzerkrankung eines sonst immer gesunden Mitarbeiters bereits ein Hinweis für größere (gesundheitliche) Probleme sein.

6. „Tarnen und Täuschen” geht immer nach hinten los!

Versuche erst gar nicht, ein emotional warmes Krankenrückkehrgespräch zu führen, wenn Du Dein Gegenüber tatsächlich verhören willst. Auch ohne verdächtige Formulierungen zu wählen, wird Dein Mitarbeiter durch die geschlossene Türe riechen, worum es Dir eigentlich geht. Dann wirst Du niemanden je mehr „knacken” können (was sowieso nach hinten losgeht), denn dann wird einfach noch mehr gemauert und da ein Ausgleich gefunden, wo Du es niemals herausfinden oder gar beweisen kannst. (Zu diesem Aspekt findest Du hier Genaueres.) Solltest Du zu einem menschlich warmen Gespräch nicht bereit sein, laß es sein und führe ein rechtlich glasklares Faktengespräch. Allein das ist bereits ein wirksames Mittel bei notorischen Schwänzern.

7. Vertrauen fängt immer mit einem Vorschuss an

Vertrauen lässt sich nicht einfordern. Halte demonstrativ weitesten Abstand von allen rechtlichen Untiefen und sei selbst menschlich nahbar. Begegne dem Menschen und stelle seine Funktion hinten an. Gehe betont in Vertrauensvorleistung.

8. Sei gerade bei „Sorgenkindern” rigoros

Wer mit einem Vertrag wedelt, weiß mehr oder weniger bewusst, dass es keine menschliche Basis mehr gibt. Oder er hat nie gelernt wirklich hochwertige Verträge zu schließen. Dann hast Du zwei Möglichkeiten: Du verabschiedest Dich emotional aus der ganzen Sache und schiebst alles Deinem Anwalt rüber. Was im Bezug auf ein gelungenes Offboarding, damit Recruiting und einer magnetischen Arbeitgebermarke alles andere als sinnvoll ist. Oder, Du vergisst alles Geschriebene und versuchst mit allen Mitteln eine menschliche Basis herzustellen. Hier gibt es keine Grauzone! Ein menschliches Annähern unter den Gesichtspunkten des rechtlichen Rahmens führt sich selbst ad absurdum. Wobei ein gelungenes Krankenrückkehrgespräch ein feines Mittel zur Klimaverbesserung ist. (Hier die Nachlese zu echten und falschen Rebellen.)

„Wo schriftlich Vereinbartes herangezogen wird, ist die Beziehung gescheitert.“

Frage Dich selbst: Wann zückst Du Deinen Ehevertrag? Wenn Du über Scheidung nachdenkst, oder?
Eben. Wieso soll es in einer Arbeits-Beziehung anders sein? Natürlich halten wir Vereinbartes schriftlich fest. Schon allein, um keinen Aspekt unbesprochen zu lassen. Doch dann verschwindet das Papier im Ordner, denn die Realität zeigt uns täglich, dass der Vertrag lediglich der Airbag ist: Gut, ihn zu haben, doch hoffentlich ihn nie zu benötigen.

„Der Arbeitsvertrag ist ein Airbag: Gut, ihn zu haben. Hoffentlich benötigst Du ihn nie.
Sein Gebrauch hinterlässt immer Wunden und Schäden.“
9. Beachte Kreisschlüsse

Bei der Frage, ob die Erkrankung im weitesten Sinne einen Zusammenhang mit physischen oder psychischen Gefährdungen am Arbeitsplatz hat, solltest Du sehr achtsam sein. Schließlich bist Du für die körperliche und geistige Gesundheit aller Teammitglieder im Arbeitsumfeld verantwortlich. Jeglichen Hinweisen auf eine Gefährdung dieser, musst Du im Interesse aller nachgehen.
Für manche Mitarbeiter ist allein die Viertelstunde im 4-Augen-Gespräch mit dem Vorgesetzten so unangenehm, dass sie sich Gelbe-Zettel-Urlaube verkneifen. Damit ist vielleicht das Ziel erreicht, den Krankenstand zu reduzieren. Doch der Mitarbeiter wird sich anderweitig „bedienen”, um einen adäquaten Ausgleich für eine empfundene Benachteiligung zu finden.

Fazit: Ein wirklich cleveres Krankenrückkehrgespräch funktioniert nur bei vorhandener partizipativer/ psychologischer Sicherheit.

10. Krankenrückkehrgespräche sind äußerst wirkungsvoll

Aus eigener Erfahrung als Geschäftsführer eines Personaldienstleistungsunternehmens und nun bei meinen Beratungskunden, weiß ich, wie äußerst wirkungsvoll diese Gespräche sind. Wir hatten über alle Kundenbranchen hinweg (auch in der Altenpflege) auffallend niedrige Krankenstände. Im Branchenvergleich eine sehr niedrige Fluktuation und, das freut mich besonders, keinen einzigen anwaltlichen Briefwechsel oder gar Arbeitsgerichtsprozess. Und das kannst Du auch.

„Ein Krankenrückkehrgespräch geführt von Mensch zu Mensch
ist wirkungsvoller als jedes Stressseminar.“

Krankenrückkehrgespräche sind ein äußerst wirksames Instrument. Sie sollten allerdings nur im Gesamtkontext von Vision, Zielen, Werten und damit Kultur des Unternehmens geführt werden. Wie das geht? Dazu stehe ich Dir gerne mit Herz, Hand und Verstand zur Seite: Tel. +49 151 15 85 51 63 oder service@joerg-romstoetter.com

Gute Zeit und Viele Grüße!

Jörg Romstötter

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Meine Hilfestellungen zur Selbstführung und damit zur Führung anderer, erscheinen nicht immer leicht in ihrer Umsetzung. Wobei sie sich gerne offenkundig plausibel, „einfach” und eingängig lesen. Diese Vorgehensweisen werden in ihrer Umsetzung sowohl als äußerst einfach und äußerst schwierig empfunden. Je nachdem, welche Qualität innere „Arbeit” jemand schon mit sich angestellt hat. Selbstführung beginnt mit der Selbst-Begegnung. Ohne sie ist jede erlernte Vorgehensweise lediglich vordergründiges Tun und funktioniert nur rudimentär: Wir werden als „Tool-Anwender” entlarvt.

Selbst-Begegnung ist ein Stufenprozess: Wer eine „Stufe” erreicht hat, sieht sich unmittelbar mit der nächsten konfrontiert. Wer keine „Stufen” erkennt, ist nicht etwas schon „angekommen” oder gar „fertig”. Der sieht lediglich (unbewusst) von der nächsten Stufe weg. Was natürlich auch völlig ok ist.

Eine der wirksamsten Möglichkeiten zur Selbst-Begegnung und gleichzeitig zur Selbstführung ist seit jeher die Natur. Und dabei im Besonderen das Alleinsein draußen. Sich selbst ein wenig zuhören inmitten der weitenden, klärenden, stärkenden und erdenden Natur, ist ein ganz besonderes Geschenk. Ich wünsche Dir und mir den Mut, dass wir uns dieses Geschenk immer wieder machen.