Gutes Neues Jahr: Der Weg zur Hölle ist mit guten Vorsätzen gepflastert

Wieder ist ein Jahr rum und wir sind an den meisten unserer guten Vorsätze gescheitert. Das muss so sein, denn die guten Vorsätze sind selten Herzenssache. Sie sind Kopf-Entscheidungen, die uns ein den Moden entsprechendes Idealbild anstreben lassen. Deshalb können gute Vorsätze nicht funktionieren.

In der „Stillen Zeit” beginnt die Misere

Die „Stille Zeit” müsste eigentlich in „Gesellige Zeit” umbenannt werden. An sämtlichen Weihnachtsfeiern und in Gottesdiensten ermahnen wir uns gegenseitig im Advent die Stille einkehren zu lassen: Zeit mit der Familie zu verbringen, uns zu besinnen auf uns selbst, was wir aus dem vergangenen Jahr für uns gelernt haben und zu welche neuen Ufern wir im kommenden Jahr aufbrechen wollen.
Interessant nur, dass wir genau diese Ermahnungen spurlos an uns vorüber ziehen lassen. Stattdessen verbringen wir Tage mit dem Vorbereiten, dem Geschenkekauf, dem Backen und Braten. Nur, um an Heilig Abend für ein paar Stunden das Familienidyll perfekt zu machen. Was oft genug genau ins Gegenteil ausartet. Jahr für Jahr.

Die Stille in uns zugeschüttet mit schlechtem Gewissen, Geschenken und viel Alkohol

Wer tatsächlich Einkehr in sich selbst und damit seine tieferen Bewusstseinsebenen hält, stößt unweigerlich schnurstraks auf Kritisches. Das ist der Sinn der Übung. Angenehm ist das freilich nicht. Wobei das Kritische hoffentlich nicht schon wieder ein Vergleich mit anderen und der immer noch nicht perfekten Schwimmbadfigur ist, sondern eher ein „Hoppala, genau genommen führe ich mein Leben, wie ich es eigentlich gar nicht will. Ich will doch eigentlich…” Tja, eigentlich. Hier hockt der Teufel am Feuer und dreht genüßlich den Bratspieß.

Die Hölle finden wir in uns selbst

„Der Weg zur Hölle ist mit guten Vorsätzen gepflastert”. Lesen wir den Spruch frei von religiösen Anschauungen, ist die Hölle die Verstrickung in unsere unbewussten Steuerungsmechanismen (Muster, sorts). Sie sind unsere verborgenen Blockaden und Wunden (Schatten). Aus ihnen erwachsen Motive, die uns Ziele verfolgen lassen, welche uns aus ganzem Herzen völlig Wurscht sind. Wir wissen es bloß nicht.
Wir wundern uns nur, wieso uns ausgerechnet das, was wir uns felsenfest vornehmen und mit hingebungsvoller Wut, ja maßloser Leidens- und Opferbereitschaft verfolgen, wie von Zauberhand nicht gelingt. Besonders die Ich-will-auch-Träume sind prädestiniert dazu, niemals erreicht zu werden. Hingegen fällt uns anderes zu, wie die Sterntaler dem klapper-zarten Mädchen im dünnen Hemdchen.

Was wir wirklich wollen, machen wir eh

Ja, ich weiß, ich bin so ein Disziplin-Ketzer. Ich meine, Disziplin brauchen wir nur dafür, was wir im Grunde nicht wollen. Was wir hingegen wirklich wollen, das machen wir eh. Und: Was es auch immer ist, was wir tun, wir wollen es so. Ob das andere oder wir selbst gut heißen oder nicht. Ob das unseren besten Möglichkeiten gerecht wird oder nicht. Freilich ist unser denkendes Ich damit nicht immer einverstanden und wir wünschen uns ein besseres, ein schöneres Leben. Doch dazu sind wir noch nicht bereit. Weil wir zunächst mit uns Dinge zu klären haben, die diesem „schöneren Leben” im Wege stehen. Auch wenn wir das nicht verstehen können. Unser Verstand greift zu kurz, denn das Steuer hat unser Unbewusstes fest in der Hand.

Deshalb brauchen wir die Stille

In der Stille begegnen wir uns auf einmalige Weise selbst. Wir erschließen tiefer liegende Bewusstseinsbereiche. Punkt um. Auch wenn mir Leute in Gesprächen immer wieder erzählen, sie erfahren so viel über sich, wenn sie sich mit anderen austauschen. Ja freilich geschieht das. Gerade der Austausch mit anderen ist ein wesentlicher Teil, um uns selbst für uns greifbarer zu machen. Doch eben nicht der alles Umfassende. Wie es ohne Dunkelheit kein Licht gibt und umgekehrt, gibt es die Selbstbegegnung nicht ohne die Stille.

Vor der Stille hat Angst, wer vor sich selbst etwas zu verbergen hat

Es herrscht die kollektive Angst vor der Stille. Wieso sonst töten wir die Stille (Zeit) mit Alkohol, Geschenken und eine Weihnachtsfeier jagt die nächste? Natürlich sind auch die Feste, wie die be-sinn-liche Stille Zeit Überlieferungen alter Zeiten. Denn in der finsteren Zeit der Wintersonnwende hockten die Menschen in ihren Langhäusern zusammen und feierten das vollbrachte Jahr. Sie feierten die Pause, sie feierten die Dunkelheit mit ihren Geschenken für die Seele, sie feierten schließlich den Sieg des Lichts über die Dunkelheit (heute Weihnachten genannt).

Ohne Stille keine echten Feste

Was wollen wir den feiern, wenn wir in uns gar nicht nachgesehen haben, was es zu feiern gibt? Feiern wir wieder nur materielle Errungenschaften? Wieder nur Heldentaten und Husarenstücke? Belassen wir es bei der Erfahrungstiefe der sichtbaren Ereignisse, feiern wir zu Weihnachten lediglich das Verstreichen von Zeit. So wie wir bei Geburtstagen das Verstreichen von 365 Tagen feiern. Ob wir in diesen vielen Tagen jedoch weiser, klüger, reifer usw. geworden sind, ist uns schnurzegal. Wundern uns aber, wieso unsere Beziehungen problematisch sind, wir vor lauter Stress nicht mehr ein und aus wissen und ein Zipperlein das nächste jagt. Wir feiern das Vergehen von Zeit und nicht das, was diese Zeit mit uns gemacht hat.
Eine Feier ist ein die Anspannung erlösendes Endritual. Das erlösende Ausgelassensein nach einer Zeit des äußeren und inneren Arbeitens und der Mühen. Doch dieses Endritual ist ohne den Weg nur eine Farce. Deshalb müssen auch die verklärten Weihnachts-Familien-Idyll-Maskeraden scheitern. Es hat sich nichts geändert in der Beziehung zueinander. Die einzelnen Familienmitglieder sind nicht reifer geworden. Die Alten können den Jungen außer Konsum nichts vorleben und die Jungen haben außer Konsum keine Erwartungen an die Alten. Denn niemand hat in der Stillen Zeit Einkehr gehalten bei sich selbst. Niemand kann der Welt sagen, woran er gewachsen ist und wachsen will. Niemand kann sagen, was er der Welt geben will.
Drum wird dieses Weihnachten sein wie letztes Weihnachten. Und nächstes Jahr wie dieses Jahr.

Große Leere ist große Energie

In asiatischen Weisheitslehren wird die innere große Leere als große Energie willkommen geheißen. Das muss man erstmal aushalten. Genauso, tiefe Stille. Stille und Leere in vollem Frieden mit sich auszuhalten, besser sie zu genießen, sind eine echte Herausforderung. Wer das noch(!) nicht kann, hat Angst vor der Entdeckung „unschöner” Anteile in sich. Stille und Leere lassen sich prima mit Zielen und guten Vorsätzen stumm und klein halten.

Ich wünsche Dir und mir

In dieser finsteren Zeit genug stille und leere Stunden in vollem Frieden. Es sind die größten Geschenke, die wir uns selbst – und damit allen anderen – machen können.

Gute Zeit und Beste Grüße!

Jörg Romstötter 

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Ein feines Weihnachtsgeschenk und Wegbegleiter für die Reise zu sich selbst. Hier für Dich.

Das-vergessene-Wunder

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Meine Hilfestellungen zur Selbstführung und damit zur Führung anderer, erscheinen nicht immer leicht in ihrer Umsetzung. Wobei sie sich gerne offenkundig plausibel, „einfach” und eingängig lesen. Diese Vorgehensweisen werden in ihrer Umsetzung sowohl als äußerst einfach und äußerst schwierig empfunden. Je nachdem, welche Qualität innere „Arbeit” jemand schon mit sich angestellt hat. Selbstführung beginnt mit der Selbst-Begegnung. Ohne sie ist jede erlernte Vorgehensweise lediglich vordergründiges Tun und funktioniert nur rudimentär: Wir werden als „Tool-Anwender” entlarvt.

Selbst-Begegnung ist ein Stufenprozess: Wer eine „Stufe” erreicht hat, sieht sich unmittelbar mit der nächsten konfrontiert. Wer keine „Stufen” erkennt, ist nicht etwas schon „angekommen” oder gar „fertig”. Der sieht lediglich (unbewusst) von der nächsten Stufe weg. Was natürlich auch völlig ok ist.

Eine der wirksamsten Möglichkeiten zur Selbst-Begegnung und gleichzeitig zur Selbstführung ist seit jeher die Natur. Und dabei im Besonderen das Alleinsein draußen. Sich selbst ein wenig zuhören inmitten der weitenden, klärenden, stärkenden und erdenden Natur, ist ein ganz besonderes Geschenk. Ich wünsche Dir und mir den Mut, dass wir uns dieses Geschenk immer wieder machen.