Mobbing: Der Mobber ist das Opfer. Wie Mobbing ein krankes System zeigt.

Wo es Mobbing gibt, existiert kein Team. Sondern ein Mob, der Dampf ablassen muss. Die Ursache dafür ist Angst. Manchmal kommt die Angst von außen ins Unternehmen, meist ist sie im Unternehmen selbst begründet. Wie auch immer. Wo es Mobbing gibt, läuft etwas grundlegend falsch. Es sind vier Pole, die Mobbing erschaffen:

  1. Das Unternehmen
  2. Die Führungskraft
  3. Der Mobber (das tatsächliche Mobbing-Opfer)
  4. Das Mobbing-Opfer
Wer mobbt, hat ein Defizit in seinem Selbstwert

Durch das Kleinmachen eines anderen, fühlt sich der Mobber diesem überlegen. Auf Kosten eines anderen, meint er, sich einen höheren Status verschaffen zu können. In Wahrheit geschieht genau das Gegenteil: der Mobber verliert Achtung, Respekt und Vertrauen. Wird Mobbing zugelassen, ist das System krank. (Lust auf eine zukunftsfähige innere Einstellung?)
Wir sehen uns gleich die oben genannten vier Pole genauer an. Dazu vorab ein Beispiel, das zeigt, wie eine neue Mitarbeiterin mit Mobbing umging:
Eine junge Frau, neu in Abteilung und Unternehmen, wird von zwei älteren Mitarbeiterinnen, die bereits seit längerer Zeit dort tätig sind gemobbt: Ihr werden Informationen vorenthalten, abfällige Bemerkungen bis hin zu Spot prasselt schon nach kurzer Zeit auf die Neue ein. Doch an dieser scheinen all die Bösartigkeiten abzuperlen wie Wasser von einer Lotusblüte. Wie macht sie das bloß? Nun, einfach gesagt, sie macht sich nichts draus und lässt sich keinen Finger breit provozieren. Wenn sie Informationen nicht bekommt, dann sagte sie dies rundheraus, zu schnippischen Bemerkungen lächelte sie nur unumwunden den beiden mit einem tiefen Blick in die Augen. Nein, sie provozierte die beiden nicht aktiv, indem sie sich vielleicht extra schick anzieht oder ihr Fitness durch die Erzählungen ihrer Aktivitäten beschreibt. Sie bleibt zu den beiden höflich und respektvoll wie zu allen anderen und „überhört” schlichtweg die Anfeindungen. Sie „tötete mit Blicken” durch eindringliches in die Augen blicken und eiskaltes Wegsehen. Die beiden Mobberinnen verstummen rasch und suchen sich ein anderes Opfer. Das müssen sie tun, denn im Team ist dieses Ventil leider notwendig, wie wir gleich sehen werden.

Was kann die Führungskraft tun, um das Mobbing zu beenden?

Ein paar Maßnahmen zu nennen, löst das Problem nicht. Hier kommen wir nur mit dem systemischen Blick,  auf die Gesamtsituation weiter. Denn wo gemobbt wird, herrscht Angst (siehe Video-Reihe).

1. Das Unternehmen

Herrscht im Unternehmen eine Angst-Kultur? Angst wird von oben nach unten weiter gegeben und äußert sich letztlich im letzten Glied der Kette.
Hat das Unternehmen eine Angst-Kultur, ist es für eine einzelne Führungskraft nahezu unmöglich, dies zu beeinflussen. Denn wie kann man jemandem anderes verständlich machen, dass eine Angstkultur herrscht? Wie beschreibt man kollektive Angst? Angst liegt immer konstruktivistische Wahrnehmung zu Grunde. Wenn „der Markt ein schwieriger ist, der immer schwieriger wird” und es ohne „drastische Veränderungen nicht mehr gehen wird”, zudem „jeder froh sein muss, seinen Job zu haben” und „die Zeiten immer schlechter” werden? Aus so einem destruktiven Sumpf rettet man sich am besten durch Flucht zu einem anderen Unternehmen, das einem eine wertvolle Berufsindentität bietet.
Hat die Abteilungsleitung nennenswerten Einfluss auf die Unternehmensleitung, kann sie es mit der kritischen Auseinandersetzung der herrschenden Meinung über die Unternehmenssituation versuchen. Mit dem Fokus auf Ursachenbekämpfung und Fehlersuche im Unternehmen. Also Werte- und damit Kulturwandel. Das ist allerdings ein äußerst heißes Pflaster (siehe hier). Denn eine Angst-Kultur mit symptomatischem Dummhalten der Belegschaft, entsteht nicht über Nacht. Sie ist, mehr oder weniger bewusst, das beste Zeichen für Angst von Meinungsführern; also den Eigentümern und Top-Führungskräften. Diese haben wohl ein Muster verinnerlicht, das mit „Führen geht nur mit Angst/ Druck/ Brutalität usw.” verinnerlicht. Eine Angst-Kultur im Unternehmen lässt sich also nur durch eine Veränderung der Haltung der Schlüsselpersonen erreichen. Dies geht nur mit Unterstützung von außen. Hat man keine Möglichkeit bei den Top-Entscheidern in diese Richtung hinzuwirken und gehört man selbst nicht zu diesen Schlüsselpersonen, sucht man am besten das Weite.

2. Die Führungskraft

Herrscht im Unternehmen keine Angst-Kultur, sondern ist sie eine Abteilungs-Krankheit, wird die Sache deutlich einfacher. Allerdings verhält es sich mit der Angst-Kultur in der Abteilung identisch zur Angst-Kultur im Unternehmen: sie ist, mehr oder weniger bewusst, von Einzelpersonen aktiv erzeugt: Die Abteilungsleitung hat Angst. Sich diese Angst einzugestehen ist mehr als schwer. Je heftiger die Abwehr, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass große Angst herrscht. Mobbing ist also eine deutliche Chance, sich über sich selbst klar zu werden. Allein zu erkennen oder es zu glauben, dass gemobbt wird, ist bereits der Schlüssel zur Beseitigung von Mobbing. Denn wer dies kann, befindet sich bereits in der Beobachter-Position. Nur aus dieser sind Veränderungen möglich.
Mobbing ist nicht nur unwürdig. Es kostet jedem Unternehmen sehr viel Geld, Zeit und die immer wichtigere Reputation gerade im Hinblick auf die Arbeitgebermarke. Leistet sich ein Unternehmen Mobbing, kann es sich auch andere Investitionen für eine goldene Zukunft leisten.

Eine fähige Führungskraft hat Möglichkeiten Mobbing zu eliminieren:

Manche Menschen bringen leider Angst mit ins Unternehmen und die Abteilung. Hier kann die Abteilungsleitung mit folgenden Maßnahmen entgegenwirken und zumindest die berufliche Angst nehmen.

  1. Vertrauen
  2. Vertrauen
  3. Vertrauen
  4. Immer allen auf Augenhöhe begegnen.
  5. Seine Menschlichkeit zeigen: jeder macht Fehler. Zu seinen Fehlern stehen und alles tun sie zu vermeiden und den Schaden aus ihnen zu beheben.
  6. Fehler als wertvolle Signale erkennen. Sie zeigen Schwachstellen im System und/ oder geben die Chance beim nächsten Mal qualitativ einen Schritt nach vorne zu tun.
  7. Kleine Fehler oder Fehlverhalten „übersehen”.
  8. Fähigkeiten, gewünschte Ergebnisse und gewünschtes Verhalten loben bzw. sich bedanken (siehe Lob manipuliert!?).
  9. In häufigen 4-Augen-Gesprächen immer wieder die Möglichkeit zur konstruktiven Aussprache bieten.
  10. Die Abteilung und alle Mitarbeiter/innen nach außen in jedem Fall verteidigen.
  11. Probleme konstruktiv und systemisch lösen.
  12. Eine hohe Meinung von sich selbst haben (siehe Selbstkonzeptklarheit).
Akutmaßnahmen
  1. Mobbing und jedes Anzeichen mit den Betroffenen, ohne Zeugen, sofort zur Sprache bringen.
  2. Dem Mobber das Publikum nehmen.
  3. Mobber und Opfer in eine 4-Augen-Situation bringen und selbst moderieren, ohne anzuklagen.
3. Der Mobber

Der Mobber (vielleicht ein Schein-Rebell?) ist tatsächlich das eigentliche Opfer. Denn im Gegensatz zu ihm, fällt ein typisches Mobbing-Opfer in einem wertschätzenden Umfeld gar nicht auf. Es ist vielleicht eine etwas unsichere oder zurückhaltende Person auf. Dazu gleich mehr. Der Mobber hingegen ist meist eine Person mit viel Energie. Jemand, der sich etwas traut und sich auch gerne vor andere hinstellt und den Ton angibt. Verursacht durch einen hohen, jedoch instabilen Selbstwert, der beständig nach Stabilisierung sucht. Jetzt erkennen wir bereits sein Opfer: er opfert sich der Destruktivität. Anstatt seine Energien in wertvolle, da fruchtbare Aktivitäten zu lenken, bleibt ihm aufgrund des kranken Systems des Unternehmens oder der Abteilung nur, seine Energie zerstörerisch auf einen Schwächeren prasseln zu lassen.
Der Mobber selbst hat einen ähnlich instabilen Selbstwert wie sein Opfer. Denn jemand mit einer hohen und zugleich stabilen Meinung von sich, lässt sich nicht als Ventil für Destruktivität mißbrauchen. Der Mobber hat Angst. Er nimmt die Angst des Unternehmens auf und gibt sie in Form von Aggressivität an ein wehrloses Opfer weiter.

4. Das Mobbing-Opfer

Wo kein Mobbing-Opfer, da kein Mobbing. Unbewusst erfährt das Mobbing-Opfer durch das Mobbing die Behandlung die es sich wünscht. Auch, wenn das Opfer leidet und es das Mobbing so schnell als möglich beenden will. Doch kann nur jemand gemobbt werden, dessen innerste Haltung auch über Resonanz für Mobbing-Attacken verfügt. Wahrscheinlich wurde dem Mobbing-Opfer schon in frühen Lebensjahren Wertlosigkeit vermittelt. Ihm wurde keine bedingungslose Liebe und wenig bis kein Vertrauen geschenkt. Dabei entwickelte sich der Selbstwert des Mobbing-Opfers auf nur niedrigem und zudem instabilen Niveau. Daraus folgen Selbstzweifel, geringer Glauben an die eigene Wirksamkeit sowie Fähigkeiten und mangelnde Selbstliebe.
Dieses Selbstbild machen ein Mobbing-Opfer nicht nur anfällig für Mobbing-Attacken. Wir erkennen bereits hier das Potential selbst andere zu mobben. Wir sehen, auch eine Führungskraft, die mobbt, wurde oder wird selbst gemobbt.

Gute Zeit & Viele Grüße!

Jörg Romstötter

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Meine Hilfestellungen zur Selbstführung und damit zur Führung anderer, erscheinen nicht immer leicht in ihrer Umsetzung. Wobei sie sich gerne offenkundig plausibel, „einfach” und eingängig lesen. Diese Vorgehensweisen, werden in ihrer Umsetzung sowohl als äußerst einfach und äußerst schwierig empfunden. Je nachdem, welche Qualität innere „Arbeit” jemand schon mit sich angestellt hat. Selbstführung beginnt mit der Selbst-Begegnung. Ohne sie ist jede erlernte Vorgehensweise lediglich vordergründiges Tun und funktioniert nur rudimentär: Wir werden als „Tool-Anwender” entlarvt.

Selbst-Begegnung ist ein Stufenprozess: Wer eine „Stufe” erreicht hat, sieht sich unmittelbar mit der nächsten konfrontiert. Wer keine „Stufen” erkennt, ist nicht etwas schon „angekommen” oder gar „fertig”. Der sieht lediglich (unbewusst) von der nächsten Stufe weg. Was natürlich auch völlig ok ist.

Eine der wirksamsten Möglichkeiten zur Selbst-Begegnung und gleichzeitig zur Selbstführung ist seit jeher die Natur. Und dabei im Besonderen das Alleinsein draußen. Sich selbst ein wenig zuhören inmitten der weitenden, klärenden, stärkenden und erdenden Natur, ist ein ganz besonderes Geschenk. Ich wünsche Dir und mir den Mut, dass wir uns dieses Geschenk immer wieder machen.