Neid: Neidisch auf Dich selbst

Neidisch soll man ja nicht sein. Neid wird von allen Religionen und Weisheitslehren abgelehnt. Doch wieso sind wir manchmal trotzdem neidisch, auch wenn es keinen Sinn macht und uns schwächt? Und wieso macht es durchaus trotzdem Sinn manchmal neidisch zu sein.

Ein Unternehmensnachfolger durchlebt eine Sinnkrise

Das Familienunternehmen läuft in der dritten Generation wie geschmiert. Es ist bei seinen Kunden fest etabliert. Die Mitarbeiter sind hervorragend. Im Branchenvergleich wird die Firma insgesamt ausgezeichnet bewertet. Die Kapitalausstattung ist üppig. Die Übergabe erfolgt nicht nur ohne Querelen, sondern sogar mit aller weisen und tatkräftigen Unterstützung des Übergebers. Was will man als Nachfolger mehr? Insbesondere wenn man noch keine 40 und glücklich verheiratet ist, drei gesunde Kinder hat, überhaupt alle gesund sind und ein eigenes Haus, Zeit für Hobbys und Familie auch vorhanden ist?
Und trotzdem fehlt dem Jungunternehmer etwas. Periodisch überkommt ihn das Gefühl, in seinem Leben etwas zu verpassen. Doch er kommt nicht darauf, was es sein könnte. Er überlegt hin und her. Immer wieder schildert er was andere Unternehmer erreicht haben. Er überlegt, was er tun könne, um seinen Erfolg zu steigern. Auch überlegt er, ob er sein Unternehmen verkleinert solle um seine Energie noch mehr Richtung Gesellschaft, Wohltätigkeit und auch Privatleben zu richten.

Der Nachfolger hat die Nase voll

Der Jungunternehmer offenbart sich mit seiner Situation und seiner inneren Unruhe einem Coach. Der Coach leitet die Suche seines Kunden in einen koordinierten Prozess, der systematisch alle Lebens- und Interessenbereiche des Jungunternehmers bewusst und unbewusst unter die Lupe nimmt. Der Sucher begibt sich aktiv in seine gelebten und ungelebten Lebensbereiche, seine Wünsche und Ideen. Er ergründet, welche unbewussten Motive den Neid verursachen, den er bei den Lebensgeschichten anderer verspürt. Er erkennt, welche vielfältigen Möglichkeiten er hat, was buchstäblich wie von alleine funktionieren würde, wo er sich selbst die Fesseln angelegt hat und wo er mit Schwierigkeiten rechnen muss.

Freiheit in Abhängigkeit

Der junge Unternehmer entdeckt, was seine Unzufriedenheit ausgelöst hat. Er weiß nun, was er in keinem Fall verpassen will. Was ihn dabei besonders erstaunt ist: er muss gar nicht so viel verändern, um exakt so leben zu können, wie er das aus ganzem Herzen will. Wonach er unspezifisch gesucht hatte, ist nun ein griffiges Gesamtbild. Was er als Gängelung und Fesseln empfand, erlebt er nun als selbstgewählte oder durch seine Branche und Lebensweise systemimmanente und seinem „Lebenssystem” dienliche Werkzeuge. Was er noch nicht erreicht hat, dem kann er sich nun Schritt für Schritt nähern.

Neidisch auf sich selbst

Die Erfolge anderer Unternehmer zitiert er nun nicht mehr, denn er ist neidisch auf sich selbst. Es ist ihm nun klar, weshalb er mit seiner gesamten Lebenswelt in exakt der Situation ist, in welcher er sich nun befindet und was ihn in diese gebracht hat: er selbst.

Weshalb uns Vergleiche immer schaden

Vergleichen wir uns mit anderen oder beneiden sie um etwas, begehen wir automatisch immer einen Fehler: wir greifen nur einen Aspekt heraus. Beneiden wir beispielsweise einen Unternehmer um seinen Erfolg, müssen wir uns zugleich ansehen, was dieser bereit war für seinen Erfolg zu tun. Welche Risiken er eingegangen ist und auf was er, vielleicht sogar über Jahre, bereit war zu verzichten. Auch müssen wir uns ansehen, welchen Preis er vielleicht gezahlt hat: ist er dabei krank geworden oder süchtig, ist seine Lebenspartnerschaft gescheitert oder die Beziehung zu seinen Kindern? Wenn wir uns selbst aufrichtig fragen, ob wir für diesen Erfolg bereit sind auch den gleichen Preis zu zahlen, verfliegt jegliches Neidgefühl meist augenblicklich.
Auch wenn wir, wie im Beispiel, den glücklichen Umstand des reichen Erben ins Felde führen. Wie viele reiche Erben gibt es, die eben keinen Rundum-Lebenserfolg für sich verbuchen können trotz vermeintlich bester Startbedingungen? Auch die Ursprungsfamilie unseres Unternehmensnachfolgers hatte lange Jahre mit einem Suchtproblem zu kämpfen. Unser Unternehmer trat diesen Teil seines Erbes jedoch nicht an.

Wir neiden die Opfer- und Risikobereitschaft, nicht den Erfolg

Erfolg ist immer die Folge von Tun und Einsatz. Nehmen wir doch unser eigenes Leben als Beispiel: wo wir nach exakt diesem Gesetz gehandelt haben, können wir auch schöne Erfolge verbuchen. Erfolge, die uns dorthin gebracht haben, wo wir heute stehen und ohne die unser Leben weit trister wäre.

Was ist Dir in Deinem Leben schon alles gelungen?
– Nenne 10 Ereignisse

Was ist Dir in diesem Jahr bereits gelungen?
– Nenne 10 Ereignisse

Was ist Dir letzte Woche gelungen?
– Nenne 10 Ereignisse

Waren nicht die Erfolge am schönsten, die Dir etwas abverlangt haben?

 

Gute Zeit & Viele Grüße!

Jörg Romstötter

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Meine Hilfestellungen zur Selbstführung und damit zur Führung anderer, erscheinen nicht immer leicht in ihrer Umsetzung. Wobei sie sich gerne offenkundig plausibel, „einfach” und eingängig lesen. Diese Vorgehensweisen, werde in ihrer Umsetzung sowohl als äußerst einfach und äußerst schwierig empfunden. Je nachdem, welche Qualität innere „Arbeit” jemand schon mit sich angestellt hat. Selbstführung beginnt mit der Selbst-Begegnung. Ohne sie ist jede erlernte Vorgehensweise lediglich vordergründiges Tun und funktioniert nur rudimentär: Wir werden als „Tool-Anwender” entlarvt.

Selbst-Begegnung ist ein Stufenprozess: Wer eine „Stufe” erreicht hat, sieht sich unmittelbar mit der nächsten konfrontiert. Wer keine „Stufen” erkennt, ist nicht etwas schon „angekommen” oder gar „fertig”. Der sieht lediglich (unbewusst) von der nächsten Stufe weg. Was natürlich auch völlig ok ist.

Eine der wirksamsten Möglichkeiten zur Selbst-Begegnung und gleichzeitig zur Selbstführung ist seit jeher die Natur. Und dabei im Besonderen das Alleinsein draußen. Sich selbst ein wenig zuhören inmitten der weitenden, klärenden, stärkenden und erdenden Natur, ist ein ganz besonderes Geschenk. Ich wünsche Dir und mir den Mut, dass wir uns dieses Geschenk immer wieder machen.