Wann habt ihr das letzte Mal ge-Mülleimer-t? Es lebe die Selbst-Disruption!

„Oh, der ganze Formularkram… Muss das wirklich sein?” Stöhnten wiederholt Mitarbeiter. „Ja, schon, weil gesetzliche Vorgaben…” Entgegnete ich dann immer. Irgendwann war ich es leid, pauschal auf angeblich Überflüssiges oder unnötig Kompliziertes hingewiesen zu werden um dann mit der Gesetzesfuchtel zu antworten. „Gut, dann prüfen wir, was wir davon wirklich brauchen. Alles Überflüssige lassen wir weg!”

Gesagt getan. Oder lasse ich mir lieber Betriebsblindheit vorwerfen?

Eine Handvoll Mitarbeiter aus unterschiedlichen Standorten traf sich sodann einmal jährlich um nach Herzens- und Hirnlust zu Mülleimern. Sie sprachen alle Formulare, Verträge und Bedingungen durch und markierten, was sie meinten, es sei entbehrlich, korrigierten Formulierungen usw.. Sie vertieften sich in die Abläufe und fanden Brüche oder Lücken. Mir oblag es dann, das Gefundene mit unseren Hausanwälten auf seine rechtliche Notwendigkeit hin zu prüfen.

Empfehlung: Mit Anwälten zu gestalten macht deutlich mehr Spaß, als an ihrer Seite zu streiten. Es schont nicht nur das Budget, sondern die weit wertvollere Zeit. Außerdem lernt man sehr viel dabei.

Unverhoffter Nebeneffekt: Tieferes Verständnis

Dabei kam es zu manchen Aha-Effekten, weil Einzelne plötzlich tiefergehend verstanden, wieso wir taten, wie wir eben schon immer taten. Was ihnen in ihrer täglichen Arbeit zu Gute kam. Die „Berge von Formularen” schrumpften in ihrer Erscheinung und wuchsen dafür inhaltlich in ihrer Bedeutung. Mülleimern und die damit verbundene Disruption stärkt außer dem Teamgeist auch den Stolz und damit die Selbstwirksamkeit und Selbstführung jedes Teilnehmers des Mülleimer- bzw. Disruption-Teams. Ganz zu Schweigen vom Feilen an der zukunftswürdigen Unternehmenskultur.

Kosten-Nutzen-Verhältnis passt in jedem Fall

So manche Tätigkeiten, Abläufe, Formulare oder einzelne Formulierungen usw. könnten vereinfacht, entrümpelt oder ganz verschwinden. Ganz ohne Nachteile. Sie sammeln sich eben über die Jahre an, ohne dass ihre nicht mehr vorhandene Aktualität erkannt wurde. Dann dienen sie nur der Erzeugung von Zeitverschwendung und Frust. Anderes wiederum erweckt den Anschein der Überflüssigkeit, ist jedoch zwingend erforderlich.
Der Zeiteinsatz für so ein „Mülleimern” verschwindet im Gegensatz zum oft nicht erkennbaren täglichen Mehraufwand. Womöglich potenziert über zig Mitarbeiter.

Unsinnig aufregen oder doch lieber nach vorne schauen?

Schauen wir unserer eigenen Betriebsblindheit tief in die Augen, nehmen wir den ewigen Nörglern wirksam den Wind aus den Segeln. Anstatt inoffiziell zu Nörgeln, lernen die Leute die Selbst-Disruption. Ganz nebenbei und ohne großes Aufsehen entstehen neue Abläufe und Überkommenes wird durch Zukunftsweisendes ersetzt.

Noch ein Beispiel gefällig? ”Nein! Eine andere Arbeitszeitregelung funktioniert bei uns nicht!”

Tatsächlich? Es soll nur eine einzige funktionierende Arbeitszeitregelung existieren? Wieso überprüfen wir das nicht und entscheiden dann, ob wir etwas ändern oder nicht? Gesagt getan: Ein Verantwortlicher wurde gefunden, die Vorgehensweise zur Identifikation (Mehr dazu?) der erforderlichen Anwesenheitszeiten pro Arbeitsbereich herauszufinden. Ein paar Wochen später arbeiteten alle Mitarbeiter aller Bereiche entspannt und überaus zufrieden im neuen Gleitzeitmodell.

In diesem Sinne: viel Spaß beim Mülleimern!

Gute Zeit & Viele Grüße!

Jörg Romstötter

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PS: Mit Euren Leuten kann man nicht konstruktiv umgehen? Wir sollten reden: +49 86 54/ 58 93 404

 

Meine Hilfestellungen zur Selbstführung und damit zur Führung anderer, erscheinen nicht immer leicht in ihrer Umsetzung. Wobei sie sich gerne offenkundig plausibel, „einfach” und eingängig lesen. Diese Vorgehensweisen, werde in ihrer Umsetzung sowohl als äußerst einfach und äußerst schwierig empfunden. Je nachdem, welche Qualität innere „Arbeit” jemand schon mit sich angestellt hat. Selbstführung beginnt mit der Selbst-Begegnung. Ohne sie ist jede erlernte Vorgehensweise lediglich vordergründiges Tun und funktioniert nur rudimentär: Wir werden als „Tool-Anwender” entlarvt.

Selbst-Begegnung ist ein Stufenprozess: Wer eine „Stufe” erreicht hat, sieht sich unmittelbar mit der nächsten konfrontiert. Wer keine „Stufen” erkennt, ist nicht etwas schon „angekommen” oder gar „fertig”. Der sieht lediglich (unbewusst) von der nächsten Stufe weg. Was natürlich auch völlig ok ist.

Eine der wirksamsten Möglichkeiten zur Selbst-Begegnung und gleichzeitig zur Selbstführung ist seit jeher die Natur. Und dabei im Besonderen das Alleinsein draußen. Sich selbst ein wenig zuhören inmitten der weitenden, klärenden, stärkenden und erdenden Natur, ist ein ganz besonderes Geschenk. Ich wünsche Dir und mir den Mut, dass wir uns dieses Geschenk immer wieder machen.