Du hast nur JETZT.
Mehr bleibt nicht zu sagen.
Oder? Ja, doch!
Oft geht man so seinem Tagwerk nach und hinterfragt sich nicht ernsthaft. Ob das Tun tatsächlich für einen selbst Sinn macht. Irgendwo tief drinnen lässt sich dann und wann eine Stimme vernehmen, die dieses Tun hinterfragt. Was die Stimme sagt, kling richtig. Doch so viel spricht dagegen. Mit den Jahren ist es sogar immer mehr geworden. Und irgendwie ist es so praktisch im Dunst des Alltags vor sich hin zu leben. Es passt schon so. Die Tage und Jahre gehen dahin.
Schleicht sich ein schlechtes Gewissen ein, wenn die Stimme wieder erklingt, macht das mittlerweile nicht mehr so viel. Über die Jahre erprobte sehr wirksame Schweigemittel hat man routiniert bei der Hand: noch mehr arbeiten, Alkohol, Nikotin, einen synthetischen Kick, exzessiver Sport, Party Party Party, Sex, …
Nur irgendwann ist das Zuschütten, das Verdrängen zu wenig. Die Stimme schreit. Sie hat recht. „Hätte ich bloß!“ Ist alles was uns darauf einfällt.
Eines Tages am Friedhof
Ich gehe über einen Friedhof. Im Vorbeigehen lese ich die Geburtstage und die Sterbetage. Im Geiste errechne ich das erreichte Alter. Ich stelle mir die Zeit vor, in welcher die Toten einst gelebt hatten. Ich lese die Namen und frage mich, was für Menschen diese Toten einmal waren. Wie sie gelebt hatten, was sie taten, was sie erlebten.
Mir wird dann die Dringlichkeit für mein eigenes Leben bewusst. Was Du gerne tun willst, das tue. Es gibt kein Aufschieben. Kein Vertrösten, kein verlogenes Sich-Zufrieden-Geben mit schön geredeten Kompromissen.
Was Du tun willst das tue!
Das schreien mir die Toten aus ihren kalten Gräbern herauf.
Ich gehe und mein Schritt ist fest.
Eines anderen Tages am Friedhof
Am Grab meiner Großeltern stehend lasse ich die Zeit mit ihnen Revue passieren. Viele Bilder huschen durch meine Gedanken. Durcheinander sehe ich Momente als kleiner Junge, als Kind und als Teenager. Es fallen mir die Geschichten meines Großvaters ein. Seine Erzählungen aus seinem Leben.
Mir wird klar, was sie mir gegeben haben. Wie sie mich mit ihrer Liebe umfangen haben. Mir wird bewusst, wie sie mich und mein Leben beeinflusst haben. Einfach nur weil sie da waren. Einfach nur, weil sie so getan haben wie sie taten.
Hier stehe ich und da liegen sie. Was würden sie mir sagen? Was würden sie mich fragen?
Einmal wird der Tag kommen an dem ich dort liege. Wer wird dann an meiner statt hier stehen? Wie wird er mich in Erinnerung haben? Wird er mir danken können? Wird es etwas geben, das er als mein geistiges Erbe erkennt und mit Freuden weiterreicht?
Von mir weichen alle Ängste und alle Sorgen. Denn ich weiß: hier wird alles enden. Ich kenne das Ende. Hier ist es. Bis hierher ist es noch ein Stück Weg. Wie weit weiß ich nicht.
Wie er einmal aussehen wird dieser Weg, das beeinflusse ich jeden Tag.
Alles Gute!
Jörg Romstötter