Ich mache immer wieder die Erfahrung: gerade die, die es wirklich drauf haben, die etwas vollbracht haben, die gewagt und investiert haben, die oftmals vorgezeichnete Wege verlassen haben. Sind diejenigen, die am häufigsten und am intensivsten zweifeln.
Es sind Menschen, die an sich selbst Maßstäbe setzen. Die sich auch manchmal unter Druck setzen und dazu neigen sich zu überfordern.
Es sind oftmals die Leisen, wahre Ladies und Gentlemen mit Understatement. Menschen mit Hingabe. Mit Mut. Mit Präsenz. Integere Leute.
Menschen von denen man oft überrascht sein würde, würde man erfahren, sie zweifeln an sich.
Es sind Menschen mit der Motivation, dem Mut und der Fähigkeit sich zu reflektieren und zu hinterfragen. Eben an sich zu zweifeln.
Interessant: dadurch werden sie immer besser. Können mit Rückschlägen umgehen. Haben ein von außen wahrnehmbares gutes Leben.
Es sind Menschen, die das Hier und Jetzt nutzen. Mit Träumen und Zielen.
Es kann nur zweifeln:
Wer viel weiß und zu der Erkenntnis gelangt ist, wie wenig er wissen kann. Also gar nichts weiß. (Sokrates)
Nach Descartes ist der Zweifel die Voraussetzung für Wissen. „Zweifel ist der Weisheit Anfang“. Demnach werden nur Menschen zweifeln, die etwas wissen wollen. Also egal, ob sie schon etwas wissen, wie z.B. Menschen die in ihrem Leben schon gewagt und gewonnen haben oder Menschen, die sich auf einen Weg gemacht haben, wie z.B. Kinder.
Und dann gibt es noch die, die meist sehr laut und selbstgerecht etwas bezweifeln, jedoch in ihrem Zweifel unverrückbar sind. Das ist kein echter Zweifel, sondern Selbstbetrug: Zweifeln ist der Wunsch mehr zu wissen. Wissen schürt auch immer Zweifel. Und nur wer etwas lernt hat überhaupt die Möglichkeit zu zweifeln. Wer also durch seine Zweifel nicht auch beginnt an sich zu zweifeln hat durch den ursprünglichen Zweifel nichts gelernt, sondern will sich durch sein Zweifeln nur in seinen Meinungen bestätigen lassen.
Achtung: Vorteile durch Zweifeln
Machen wir die Erfahrung „Zweifel helfen mir“, ist es gefährlich, sie zum Selbstzweck zu machen. Denn Zweifeln selbst hat auch Vorteile.
Zweifel als Selbstzweck
So lange wir zweifeln:
- können wir nichts anderes tun. Wir sind also beschäftigt. Was uns von anderem abhält. Vielleicht gewollt? Das nennen wir Krankheitsgewinn.
- können wir auch nichts entscheiden. Die Entscheidung steht also noch aus. Wir können es uns in unserem Nicht-Entscheiden gemütlich machen.
- müssen wir nicht handeln. Das Zweifeln bewahrt uns also vor dem Tätigwerden. Zweifeln wir nicht mehr, haben wir eine Entscheidung getroffen. Die uns folglich nötigt aktiv zu werden.
- Haben wir den Eindruck etwas sehr Wertvolles zu tun. Konstruktives Zweifeln ist sehr wichtig. Deshalb können wir uns auch im Zweifeln häuslich einrichten.
Zweifeln ist eine hervorragende Beschäftigung, um auszuweichen: dem Alltag, Entscheidungen, Veränderungen, anderen, dem eigenen Leben
So zweifeln wir gesund:
1. Beobachtung
Was nehme ich wahr? Was stelle ich fest? Was könnte auch eine andere Person feststellen? (hilft, möglichst objektiv zu bleiben)
2. Verstehe, was du bezweifelst
Habe ich wirklich alle Informationen zur Sache?
3. Formuliere deinen Zweifel
4. Begründe deinen Zweifel
Trenne Gefühl von Sache
5. Stelle gezielte Fragen zur Sache
Was von den Antworten ist fundiertes, evidentes Wissen, was ist Meinung?
6. Sammle neue Erkenntnisse neutral
7. Bewerte die neuen Erkenntnisse
8. Sehe ich die Dinge nun anders?
Bezweifle deinen Zweifel
Ist mein Zweifel berechtigt? Frage dich in den genannten Schritten 1-5
Was würde geschehen, wenn ich einfach weitermache wie bisher, wenn ich nichts ändere, wenn ich die Aussagen, die Gegebenheiten hinnehme, wenn ich meine Entscheidung als fraglos richtig/falsch akzeptiere usw.?