Für Menschen mit AD(H)S selbstverständlich. Doch damit kann nicht jeder gut umgehen.

Menschen mit AD(H)S legen Verhaltensweisen an den Tag, die bei Nicht-Betroffenen durchaus Verständnislosigkeit, Ratlosigkeit, Fassungslosigkeit und auch Feindseligkeit auslösen. Umso wichtiger ist es in der Zusammenarbeit die Karten offen auf den Tisch zu legen. Nur dann kann Verständnis füreinander entwickelt und unnötige Diskrepanzen, Streit und Stress vermieden werden. Ja dann ist es möglich, die individuellen Stärken und Vorzüge zum Wohle aller zielführend einzusetzen.

1. Der AD(H)S-Mensch tut, wie er eben tut, nach bestem Wissen und Gewissen, wie er eben ist. Für ihn ist es selbstverständlich zum Wohle aller zu handeln. Prinzipientreue, Regelkonformität und Loyalität sind indiskutabel und beinahe schon Bedürfnisse.

Das können manche nicht nachvollziehen. Sie unterstellen unlautere Absichten. Sie können es sich nicht vorstellen, dass jemand, der in Teilbereichen faszinierend intelligent und geistig hoch flexibel ist, keinen größeren Nutzen über Schleichwege für sich ziehen will: „Es muss Kalkül dahinter sein!“ Vielleicht projizieren manche eigene Motive, doch unterstellen will ich das hier nicht.

2. AD(H)S-Menschen kommen wunderbar miteinander aus, sofern sie über ihr AD(H)S wissen und es akzeptiert haben. Herrscht da noch Unkenntnis oder gar Ablehnung, werden sie von anderen AD(H)Stern eher getriggert. Wenn sie auch unterschiedlich sind, sie nehmen die gleiche Wellenlänge sofort wahr. Es ist ein leben und leben lassen. Auch, wenn es bisweilen heftig zugehen kann. Ein Vertrauen zueinander, das auf Selbstverständlichkeit beruht. Neurotypischen Menschen fehlt oft einfach der Draht zu dieser speziellen Form der Wirklichkeitswahrnehmung. Auch wenn sie den betreffenden AD(H)S-Menschen sympathisch finden und ihn mögen. Als „irgendwie strange“ gilt er trotzdem.

3. AD(H)S-Menschen verzeihen alles und nichts. In einem Moment lässt es sich bis aufs Blut streiten, im nächsten Moment ist alles vergessen und Freundschaft pur. Doch wehe, jemand hat für grundlegende Zerwürfnisse gesorgt. Dann wird das Elefantengehirn mit der Fähigkeit viele Details über einen langen Zeitraum zu erinnern und in Themen sehr tief einzusteigen eingesetzt, um klar zu siegen.

4. Etwas tun zu müssen, das als unsinnig, uninteressant oder langweilig empfunden wird erzeugt regelrecht körperliche Schmerzen.
Neurotypische Menschen können viel leichter ihre Konzentration aufrecht erhalten, auch wenn sie sich mit Aufgaben nicht sehr verbunden fühlen. Ablehnung wird nicht so sehr körperlich wahr genommen.

5. Die Welt ist ein schöner und lustiger Ort, der nach Spontanität giert. Wieso soll einer vertrackten Situation nicht mit Witz und Humor die Schärfe genommen werden können? Wieso sind alle immer so bierernst? Lösungen können schließlich nur entstehen, wenn man sich vom Problem löst…
Was für AD(H)S-Menschen völlig normal ist, wirkt auf andere wie ein Affront. Verrat! Doch das ist nie als ein sich-lustig-machen oder den-Ernst-der-Lage-nicht-erkennen gemeint. Es ist eine Problemlösungstaktik (Sublimierung)

6. Es ist völlig normal, Zusammenhänge und Dynamiken schnell zu begreifen und hinter die Kulissen blicken zu können. Auf der Ursachenebene lassen sich Probleme wunderbar lösen. Sofern man es schafft Symptome als solche zu erkennen und ihnen lediglich Signalwirkung beimisst. Hier entsteht schnell Ungeduld, weil andere als „geistig langsam und starr“ wahrgenommen werden und es mühsam und langweilig ist, Phänomene zu erklären, die schwer zu erklären sind und die man selbst längst begriffen hat.

7. Ist eine Idee nicht gut – so what! Ideen sind dazu da, um sie zu haben. Was daraus wird, ist ein anderes Blatt. Ist die Idee von mir oder von dir? Egal! Hauptsache wir haben gute Ideen. Ideen klauen ist langweilig und armselig. Schnell wird klar, von wem die Dinger nur sein können (lach!). Kreativität ist schließlich keine politische Spielwiese (gähn!), sondern eine unendliche Quelle, die Spaß macht.

8. Wer nicht auf den Mund gefallen ist, verbrennt ihn sich bisweilen. Das ist eine häufige Erkenntnis, die aber kaum zu einem nachhaltigen Lerneffekt führt. Zu groß ist die Spontanität. Aber hey, wer nichts macht, macht auch nichts falsch.
Wo andere lieber dreimal nachdenken bevor sie etwas sagen oder im Moment keinerlei Zugang zu möglichen Antworten haben, hat sich der AD(H)S-Mensch schon aus dem Fenster gelehnt. Dies tut er allerdings nur, wenn er vertrauen kann. Wird ihm seine Spontanität übel genommen, nimmt er es auch mit zurückgehaltener Kreativität übel. Doch dann wird das Tun langweilig und wenig Sinn erfüllt, was zur inneren Kündigung führen kann.

9. Wo nimmt er/sie es nur her?! Details erkennen, Hyperfokus, in die Tiefe gehen, Stimmungen erspüren, Zusammenhänge wittern, Einsatz für andere oder die gemeinsame Sache, Geradlinigkeit und Loyalität, unverstellt und ehrlich.
Was andere zu geistigen Anstrengungen nötigt oder einen inneren Dialog entfacht, scheint für den AD(H)S-Menschen völlig zweifelsfrei und offenkundig zu sein. Stimmt. Doch nicht nur das, es entspannt. Es ist diese Klarheit im Tun, in Wahrnehmung, in Werten. Diese Klarheit erzeugt den Zugang zu den eigenen Qualitäten wie auf Knopfdruck. Es ist ein Entspannen ins Tun.