Was kaufst Du beim Handwerker: die Arbeit oder die Lösung?

Beauftragst du einen Handwerker weil er mit den tollsten Werkzeugen gut umgehen kann oder weil er die passende Lösung für dich hat? Bleibst du bei einem Handwerker weil er repariert was gerade kaputt ist? Oder weil er dich berät, wie du deine Gerätschaften am besten pflegst und behandelst und er dir wichtige Wartungen empfiehlt, damit du die Gesamtkosten gering und die Lebensdauer hoch hältst? Wieso machen wir es in der Personalentwicklung nicht auch so?

Beeindruckend, was manche alles vorweisen (können)
Immer wieder erstaunt es mich, welche besonderen und vielfältigen Methoden und Werkzeuge von Kolleginnen und Kollegen als beherrscht angegeben oder von Personalern als Must-haves auserkoren werden. Ob in jedem Fall selbst das perfekteste Beherrschen einer Methode, die dazu nötige persönliche Reifung des Anwendenden sowie Situation, Ziel, Strukturniveau uvm. sowie Zielführung der Methode damit auch gegeben sind? Bloß weil ein Installateur die neueste Bohrmaschine hat und einen aktuellen Bohrkurs vorweisen kann, heißt das noch lange nicht, dass er das richtige Loch an die richtige Stelle setzt (Maslows Hammer). Vielleicht braucht es an jener Stelle gar kein Loch? 

Leider wird nicht nur von Ärzten, sondern auch von Coaches, herumgedoktert: „Oh, hat nicht funktioniert, dann machen wir eben diese Übung (Ist es wirklich eine „Übung” oder nicht eher doch Real-Life?)” oder innerer Dialog: „Oh je, das hat nicht geklappt, Moment, Moment, da fällt mir ein… äh… da hab ich doch mal gelesen, dass…”

Und auch sagenhafte Plattitüden werden als „Coaching” verkauft, die voll und ganz das Klischee von schlechtestem Coaching bedienen. Wahnsinn, für was gutes Geld verbrannt wird!

Dann wird die Lösung zum Problem
Wie der Handwerker mit strotzendem Werkzeugkasten anrückt, um Wände zu versetzen nur um Schrauben zu sparen. Coach und Personaler meinen kompetent zu sein oder eine Kompetenz vor sich zu haben. In der Theorie (Methodenbeherrschung) mag das ja auch tatsächlich so sein. Doch vor lauter Lösungsmöglichkeiten richtet sich alle Aufmerksamkeit auf die Methodik und damit weg von demjenigen der das Coaching wegen seines Leidensdrucks braucht!!! Das Werkzeug wird in den Mittelpunkt der Aufmerksamkeit gerückt. Der Mensch bei Seite geschoben. Damit scheitert das Coaching, egal wie gut die Methoden sind und wie perfekt sie angewendet werden. Egal wie bemüht Coach und Personaler sind. Und weil das Kind schon mal im Brunnen ist, werden weitere Methoden heran gekarrt. Der Coach wird durch einen anderen mit einem noch pralleren Werkzeugkasten ersetzt. Dem schlechten Geld wird Gutes hinter her geworfen (Eskalierendes Commitment) und Coaching ist im Unternehmen verbrannt. Für lange Zeit.

Nur was in der Praxis funktioniert hat Berechtigung
Manchmal erscheint die Herangehensweise von Personalern wie: (Metaphorik) „Wir brauchen da neue Zündkerzen.” Was „die Karre” jedoch wirklich braucht, sind gut aufgepumpte Reifen und eine lange Fahrt auf der Autobahn. Dann spielt sich vieles ein und es macht mal wieder richtig Spaß!

Der Fall: Es sollen Teams im Rahmen eines Change-Projektes mit Teambuilding-Maßnahmen unterstützt werden. Die Teams brauchen aber kein „Ringelpietz mit Anfassen” sondern operativ zurückgelegte Meilen, wegputzen von hinderlichen Denk- und Handlungsschleifen, ein Einspielen aufeinander im echten Tun, Routinen, Regeln, Reflexion (Zum Lernen und Wahrung der nötigen Selbstdistanz). Ein „Sich selbst ausprobieren”. Feedback: Sehr anspruchsvoll, intensiv, viel gebracht, Danke für Geduld + Methode.

Methodenfetisch macht Führungskräfte schlechter und kostet
Meist hat die Fixierung auf Methoden im System der jeweiligen Organisation Tradition. Führungskräfte lechzen dann nach immer neuen und immer mehr Methoden. Die eigene Unsicherheit im Führen projizieren sie auf eine immer noch größere Methodenvielfalt. Lieber noch zehn weitere Methoden theoretisch kennen lernen, als fünf sattelfest beherrschen: „Die nächste, brandneue Methode wird alle meine Probleme lösen!” Ein typischer Trugschluss: Wir überschätzen überwältigend die Wirkung einmaliger Aktivitäten und unterschätzen sagenhaft die Wirkung kleiner, jedoch regelmäßiger (täglicher) Schritte. Weitaus wirkungsvoller könnten sich Führungskräfte weiterbilden und befähigen, würden sie die Chance bekommen, die für das Führen wichtigsten 5-10 Methoden konsequent zu üben. Das funktioniert nur über routiniertes anwenden mit Feedback. Auch die Zeitersparnis wäre berauschend. Von 30 Methoden gehört zu haben bedeutet nur Verwirrung im Gehirn und keinerlei Chance auch nur irgend etwas davon zielführend einzusetzen. Völlig normal, denn unser Gehirn muss durch Anwendungslernen das neue Wissen strukturieren und in Fleisch und Blut wandeln. 

Woher kommt diese Meinung? Vermutlich von unserer (immer noch) maschinenhaften Vorstellung von Ursache und Wirkung: „Drücke diesen Knopf, dann bekommst du jenes Verhalten.” Geringe Loyalität und Dienst nach Vorschrift sind eine logische Folge davon: „Wieso soll ich mich auch engagieren, wenn ich doch nur wie ein Automat behandelt werde?”

Wie entstehen Methoden?
Es spricht sich herum oder wird von Anwendenden herausgefunden, dass eine bestimmte Vorgehensweise überdurchschnittlich häufig zum Erfolg führt. Jedenfalls im Vergleich zu anderen bereits bekannten Vorgehensweisen. Dann machen sich Wissbegierige daran, herauszufinden, welche einzelnen Handlungsschritte die Methode aufweist. Idealerweise werden diese in Studien validiert um die Wirksamkeiten der einzelnen Schritte und dann der Methode insgesamt herauszufinden. Dies wiederum im Vergleich zu bereits bekannten Methoden. Damit ist noch nicht ausgesagt, dass selbst die als am wirksamsten bekannte Methode der Weisheit letzter Schluss ist. Selbst wenn eine Methode systematisch aufgebaut wird, ist dies nicht zweifelsfrei möglich. Die Praxis zeigt, dass immer wieder neue Ansätze gefunden werden oder die Kombination aus bereits Bekanntem wirksam ist. Erstaunlich dabei, wie sehr sie einander ähneln und häufig genug alter Wein in neuen Schläuchen sind. Übrigens Erkenntnisse die z.B. Viktor Frankl und Paul Watzlawick nutzten und quasi uraltes Weisheitswissen in ihre Therapien höchst wirkungsvoll einbauten.

Coaching kann eine hoch rentable Investition sein oder eben Sunk-Costs
Aus intensivster psychologischer Arbeit ist bekannt, wie sehr die menschliche Passung zwischen Therapeut und Patienten den Erfolg der Therapie beeinflusst. Natürlich kann der Therapeut (hoffentlich) auch was, weiß was er tut und kennt seine persönlichen (un-)bewussten Wirkungen im Innen und Außen. Da seriöse Coaching-Methoden aus der Psychotherapie stammen, kann auch hier von den selben Mechanismen für eine große und schnelle Wirkung ausgegangen werden. Und bei Weitem nicht alles was lange währt, wird endlich gut. Coaching umfasst Methoden mit unmittelbaren Wirkungen. Liegen diese nicht vor, läuft etwas grundlegend falsch. Coaching ist üblicherweise so intensiv, dass man es gar nicht aushält, über Wochen wöchentlich einen Termin zu haben. Meist sind ein bis zwei Termine pro Monat, Quartal oder Halbjahr das maximal Leistbare für den Kunden. Dies liegt auch an der nötigen Alltagsphase nach dem Coaching, in der die neuen Verhaltensmuster angewendet und zur Routine gebracht werden. Wird das Kosten-Nutzen-Verhältnis vom Kunden schlechter als 1:5 bewertet, taugt das Coaching nichts.

Der Coach ist alles, die Methode nichts?
Nein! Wie jeder gute Handwerker hat ein Coach Werkzeuge zu beherrschen. Er hat sich in ihrem Gebrauch zu üben. Er muss wissen, welches Werkzeug an welcher Stelle welche Wirkung erzeugt. Dazu gehört auch der Ausschluss von Methoden, die kontraproduktiv wären oder sogar beim Individuum (irreparable) Schäden davontragen können. Er muss das psychologische Hintergrundwissen haben, um zu wissen, wo welche Methode ansetzt und welche Psychischen Vorgänge ablaufen. Was sich ausschließt und sogar in ihrer Wirkung aufhebt. Welche Hebel es gibt und wie sie zu bedienen sind. Mit all ihren vielen Feinheiten. Zudem ist eine laufende Selbsterfahrung, Selbstreflexion und Supervision nötig. 

Falsche Methode zur rechten Zeit, schafft Kummer und Verdrießlichkeit.
Drum prüfe Coach bevor du sprichst: Welche Wirkung hat es nicht?
Denn liegt die Erkenntnis am anderen Ende, ist es wichtig zu kennen das Gelände.

PS: Kennst Du schon die Blog-Ebooks? Wissen praktisch nach Themen sortiert: hier.

 

 

Der Beitrag hat Dir einen Erkenntnis-Gewinn gebracht? Zeige Dich doch erkenntlich mit z.B. 1 €. Danke!


Meine Hilfestellungen zur Selbstführung und damit zur Führung anderer, erscheinen nicht immer leicht in ihrer Umsetzung. Wobei sie sich gerne offenkundig plausibel, „einfach” und eingängig lesen. Diese Vorgehensweisen, werden in ihrer Umsetzung sowohl als äußerst einfach und äußerst schwierig empfunden. Je nachdem, welche Qualität innere „Arbeit” jemand schon mit sich angestellt hat. Selbstführung beginnt mit der Selbst-Begegnung. Ohne sie ist jede erlernte Vorgehensweise lediglich vordergründiges Tun und funktioniert nur rudimentär: Wir werden als „Tool-Anwender” entlarvt.

Selbst-Begegnung ist ein Stufenprozess: Wer eine „Stufe” erreicht hat, sieht sich unmittelbar mit der nächsten konfrontiert. Wer keine „Stufen” erkennt, ist nicht etwas schon „angekommen” oder gar „fertig”. Der sieht lediglich (unbewusst) von der nächsten Stufe weg. Was natürlich auch völlig ok ist.

Eine der wirksamsten Möglichkeiten zur Selbst-Begegnung und gleichzeitig zur Selbstführung ist seit jeher die Natur. Und dabei im Besonderen das Alleinsein draußen. Sich selbst ein wenig zuhören inmitten der weitenden, klärenden, stärkenden und erdenden Natur, ist ein ganz besonderes Geschenk. Ich wünsche Dir und mir den Mut, dass wir uns dieses Geschenk immer wieder machen.