Darf jeder alles sagen?

Aktuell kursieren immer wieder Aussprüche wie: „In einer Demokratie darf jeder alles sagen.” Doch stimmt das wirklich? Wir brechen hier keine politische Debatte vom Zaun, sondern sehen uns an, wie das so ist in Gemeinschaften, ob da jeder wirklich alles sagen darf.

Wir können nicht nicht-tun

Spätestens seit Friedemann Schulz von Thun und seinem Vier-Seiten-Modell wissen wir: jede Botschaft verfolgt ein Ziel. Denn jede Botschaft beinhaltet immer die vier Anteile: Sache, Selbstauskunft, Beziehungsaspekt und Appell. Sobald wir den Mund aufmachen, wollen wir also etwas erreichen. Ja sogar wenn wir nicht sprechen, drücken wir eine Haltung, eine Meinung aus. „Man kann nicht nicht kommunizieren, denn jede Kommunikation (nicht nur mit Worten) ist Verhalten und genauso wie man sich nicht nicht verhalten kann, kann man nicht nicht kommunizieren.” Fasste es Paul Watzlawick zusammen.

Demnach ist es eine Verleugnung von wesentlichen Bestandteilen der Kommunikation, wenn man vorgibt etwas zu sagen, ohne auf sein Umfeld eine gewisse Wirkung ausüben zu wollen. Welche Wirkung das auch immer sein mag. Vielleicht ist es ja auch nur pure Aufmerksamkeit, die man zu bekommen erhofft. Egal. Jedenfalls ist es im schlichtesten Fall eine handfeste Unterschätzung der Wirkung die man entfalten kann. Das wissen wir auch aus der Werbepsychologie: Wird etwas nur oft genug wiederholt, wird es irgendwann Wahrheit. Wie absurd es am Anfang auch erschien.

Überall gleich, ob in Familie, Unternehmen oder Staat

Spricht jemand etwas aus, hat es Wirkung. Für diese Wirkung trägt der Sprechende Verantwortung. Denn er könnte ja auch schweigen. Auch für sein Schweigen trägt er Verantwortung. In jedem sozialen Gefüge herrschen Werte, die das Miteinander überhaupt erst möglich machen. Teilen Gruppenmitglieder die auf das Gruppenziel bezogenen Werte nicht, gibt es große Reibereien, einzelne Mitglieder verlassen die Gruppe oder die Gruppe löst sich sogar auf. Spricht z.B. ein Teammitglied in einem Unternehmen etwas aus, das sich gegen Vision, Mission, Werte, Ziele usw. des Unternehmens richtet, entsteht für das Unternehmen ein Schaden (kontraproduktives Verhalten1). Jede Führungskraft muss dagegen mit aller Entschiedenheit und Konsequenz vorgehen.

1) Nerdinger, Blickle, Schaper, 2014: „Arbeits- und Organisationspsychologie” S. 451

„Wieso das? Kann man da nicht duldsamer sein?”

Nein. Ein Unternehmen/Organisation ist eine Erfolgsgemeinschaft. Ohne den gemeinsamen Erfolg hat das Unternehmen/Organisation keine Existenzberechtigung. Schließlich ist niemand gezwungen in einem ganz bestimmten Unternehmen zu arbeiten. Irgendwann hat sich jeder sogar aktiv daran gemacht und sich dort beworben. Oder hat sich abwerben lassen. Mit der Unterschrift am Arbeitsvertrag erklärt sich jeder Mitarbeitende mit Vision, Mission, Werten, Zielen, Ethik usw. des Unternehmens einverstanden. Auch wenn sich diese im Laufe der Jahre ändern mögen. So bald ein Mitarbeitender jeden Tag erscheint, unterschreibt er quasi täglich von Neuem und erklärt sich einverstanden, seinen Beitrag zum gemeinsamen Erfolg zu leisten. Dazu ist niemand verpflichtet. Wer nicht (mehr) mag, der darf – und sollte! – so schnell wie möglich das Unternehmen/Organisation verlassen und seine wertvolle Lebenszeit einem anderen (Arbeits-)Inhalt widmen. Er/sie/d macht den Platz frei für jemanden der diesen Platz und damit das ganze Unternehmen gerne mit seiner Leistung bereichert. Unterschätze niemals diese Wirkung! Schädigendes Verhalten darfst du in keinem Fall dulden. Trenne dich, wenn es sein muss, so schnell als möglich. Und freue dich auf einen positiv eingestellen Mitstreiter.

„Wie ist das in einem Staat?”

Identisch. Jeder Staat hat Grundwerte. In Deutschland stehen diese im Grundgesetz. Wir dürfen in Deutschland also alles sagen, sofern es nicht gegen die Werte im Grundgesetz verstößt. Also dürfen wir z.B. nichts sagen, das die Würde eines anderen verletzen könnte: Artikel (1): „Die Würde des Menschen ist unantastbar…”

Und damit belasse ich es. Meine politische Meinung will ich hier nicht diskutieren. Wie ich da stehe, ist aus meinen Werten ersichtlich.

Gute Zeit & Viele Grüße!

Jörg Romstötter

 

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Meine Hilfestellungen zur Selbstführung und damit zur Führung anderer, erscheinen nicht immer leicht in ihrer Umsetzung. Wobei sie sich gerne offenkundig plausibel, „einfach” und eingängig lesen. Diese Vorgehensweisen, werden in ihrer Umsetzung sowohl als äußerst einfach und äußerst schwierig empfunden. Je nachdem, welche Qualität innere „Arbeit” jemand schon mit sich angestellt hat. Selbstführung beginnt mit der Selbst-Begegnung. Ohne sie ist jede erlernte Vorgehensweise lediglich vordergründiges Tun und funktioniert nur rudimentär: Wir werden als „Tool-Anwender” entlarvt.

Selbst-Begegnung ist ein Stufenprozess: Wer eine „Stufe” erreicht hat, sieht sich unmittelbar mit der nächsten konfrontiert. Wer keine „Stufen” erkennt, ist nicht etwas schon „angekommen” oder gar „fertig”. Der sieht lediglich (unbewusst) von der nächsten Stufe weg. Was natürlich auch völlig ok ist.

Eine der wirksamsten Möglichkeiten zur Selbst-Begegnung und gleichzeitig zur Selbstführung ist seit jeher die Natur. Und dabei im Besonderen das Alleinsein draußen. Sich selbst ein wenig zuhören inmitten der weitenden, klärenden, stärkenden und erdenden Natur, ist ein ganz besonderes Geschenk. Ich wünsche Dir und mir den Mut, dass wir uns dieses Geschenk immer wieder machen.