Zeit haben

Manche Wortkonstellationen scheinen im Deutschen seltener zur Verfügung zu stehen als andere. Denn sie werden nicht verwendet, obwohl sie Dinge beschreiben, die im Überfluss vorhanden sind. Kompliziert? Ein Beispiel: Das Sätzchen „Ich habe Zeit.“ Ein Sätzchen, das mir ausgesprochen gut gefällt, übrigens. Es gefällt mir so gut, ich versuche es so oft es passt zu sagen oder es mir zu denken. Schade finde ich es, es so selten zu hören. Wo es mir doch so gut gefällt, dieses Sätzchen. Dieser Satz allein scheint irgend so ein Luxusding zu sein, das nur Wenige haben. Es gibt anscheinend günstigere Varianten, da sie massenhaft im Umlauf sind. Die hören sich so an: „Sorry, keine Zeit“, „Tut mir leid, ich bin spät dran“, „´tschuldige, aber ich musste noch …“, .usw.. Auch mit diesen günstigeren Varianten scheint es so wie mit vielen Billigprodukten zu sein: erst freut man sich über das Schnäppchen und dann darf man sich damit herumärgern, weil es anstatt Erleichterung und Freude nur das Gegenteil bringt. Warum spricht sich diese schlechte Qualität bloß nicht besser herum? Mit der Zeit scheint es zu sein wie mit dem Geld. Das muss man sich wohl irgendwie erst verdienen. Derweil kommen wir da alle gleich auf die Welt. Jeder hat Zeit, statistisch ca. 77 bis 82 Jahre in Deutschland, je nachdem welchem Geschlecht er angehört und wie er lebt. Und bei jedem braucht sie sich exakt gleich schnell auf. Das ist beim Geld auch anders. Das tut nur das was man ihm sagt. Der Zeit ist wurscht was wir ihr sagen. Die tut immer exakt das selbe. Immer. Zeit muss wir also nicht erst irgendwie bekommen. Die hat man. Ok, also nimmt man sich die Zeit. Auch Quatsch, denn wieso soll ich etwas nehmen, was ich ohnehin schon habe. Also lasse ich mir meine Zeit. Ich be-lasse sie. Ich be-halte sie bei mir und gebe sie nicht her für Dinge, die ich eh nicht will. Nur, was will ich und was will ich nicht? Oh, jetzt liegt der Finger im wunden Fleisch. Wer weiß schon wirklich was er will? So ganz klar, wie z.B.: ich will in der Branche XY Karriere machen, verantwortlich sein für mind. 500 Mitarbeiter. Mindestens 200 t€ per anno verdienen, glücklich verheiratet sein und 2 bis 3 Kinder haben, ein Haus mit 300 m², zwei Autos der Klassen … Meistens ist es doch ein Herumgeeiere, wenn man sich diese Frage beantwortet. Und dann fragt man sich „Wo ist bloß die Zeit geblieben?“. Na eben da, wo sie einem außer Zeitvertreib nichts gebracht hat. Bitte. Da haben wir´s. Wie gerne vertreibt man sich die Zeit! Und da wundern wir uns keine Zeit zu haben? Wenn wir die Zeit vertreiben ist sie weg. Ganz klar, oder. Das ist ja der Sinn des Vertreibens. Wenn man sein Geld verplempert wundert man sich ja auch nicht wo es wohl geblieben sein mag, oder? Da weiß man, man hat es für Tand ausgegeben. Für den schnellen Kick, der nur Ödnis in Herz und Portmonee hinterlässt. Also, wie soll man seine Zeit vernünftig einteilen, wenn man gar nicht weiß wofür man sie einteilen will? Da ist das beste Zeitmanagementsystem Zeitverschwendung. Man überlegt ja auch nicht über welche Route man in den Urlaub fahren will, wenn man noch gar nicht weiß wohin man überhaupt reisen will, oder? Wenn man weiß wofür man seine Zeit verwenden will, dann ergibt sich die Art und Weis von ganz allein. Dann hilft einem wieder kein Zeitmanagementsystem wirklich weiter. Jede Lösung ist in einem selbst. Einen Weg zu dieser Lösung zeige ich Ihnen im Angebot absolut natur. Geld sollte man haben, damit man dann Zeit hat. Sich nicht ums Geldverdienen kümmern muss, sondern die Zeit voll nutzen kann. Klingt irgendwie gut. Bloß wann ist der Zeitpunkt „Jetzt habe ich Geld“ da? Es gibt genau eine Antwort darauf: nie. Haben in Form von Besitz lechzt nach immer mehr. Es wird nie genug sein. Man wird also immer damit beschäftigt sein noch mehr zu erwirtschaften. So traurig so wahr. Eine Ausnahme bilden die, die sich vorab klar geworden sind, was für sie das optimale Besitzniveau ist. Die können im Punkt aufhören. Und wieder ist es einfach: diese hatten vorher ein Ziel. Ein für sie stimmiges Ziel, das zu ihnen ganz allein passt. Oder ein Erlebnis, das sie jäh innehalten läßt. Eine sehr freudige Nachricht habe ich jedoch. Mit der Zeit ist es genau so! Nur mit dem Vorteil, dass man sie eh schon hat. Wenn wir also Zeit für etwas Schönes verwenden, dann genießen wir diese Zeit und wollen immer mehr Zeit für diese schöne Sache verwenden. Keine Zeit haben scheint ein Statussymbol zu sein. Es drückt offensichtlich Wichtigkeit aus. Man ist von solcher Wichtigkeit, dass man keine Zeit für andere Dinge hat. Na ja. Ist halt auch nur Selbstbetrug. Was einem wichtig ist, dafür hat man Zeit. Ist doch ok. Alles kann einem nicht wichtig sein. Bloß weil andere meinen man soll sich viel Zeit für Kinder, Partner, Freunde, Hobbys usw. nehmen. Wenn man dazu keine Lust hat, bitte. Ist doch ok. Aber dann sollte man auch zu sich selbst und zu den anderen so fair sein und das auch deutlich so sagen. „Ich will … tun.“ „Schatz, ich komme heute wieder später, weil ich … noch fertig machen will.“ „Bitte entschuldige mein Zuspätkommen, mir war noch wichtig … zu erledigen.“ usw. Wahrscheinlich wünscht man sich doch ein Hintertürchen offen zu halten. Wenn die Aufgabe dann einmal doch irgendwie nicht mehr so der Bringer ist. Will man sich auf die zurück retten, denen man mit seinem ewigen „keine Zeit“ erst vor den Kopf gestoßen hat. Warum ist keine-Zeit-haben ein Statussymbol? Doch eigentlich eine Auszeichnung für eine sagenhafte Unfähigkeit. Nämlich das was man alles tun will so zu organisieren und koordinieren, dass man für dieses alles genügend Zeit hat. Keine-Zeit-haben ist also tatsächlich ein Anti-Statussymbol. Na, und auf wen wird wirklich neidisch geblickt? Genau, auf den der offensichtlich immer Zeit hat: „Mensch, der hat´s aber gut im Griff!“. Will man also die Zeit zum Statussymbol erheben, muss man einen souveränen Umgang mit ihr demonstrieren. Da gibt es nichts zu rütteln, damit Menschen sich begegnen können braucht es Zeit. Für die Arbeit haben wir sehr oft sehr viel Zeit, aber für Familie und Freunde hat irgendwie niemand Zeit. Ich frage mich, was tun nur immer alle, wenn sie nie Zeit haben? Mit irgendetwas müssen die sich doch beschäftigen. Oder zumindest gigantisch viel Zeit verbringen. Ob produktiv und mit Sinn oder nicht. Oder ist es der Glaube, die Freunde warten ewig geduldig, bei denen hat man unbegrenzten „Zeitkredit“. Nur, was einem wichtig ist, dafür hat man Zeit. Die Familie und Freunde sind das Letzte und Einzige was bleibt, wenn Dinge wie Arbeit, Gesellschaft, Titel, Ämter und Würden, Besitz und Geld längst vergangen sind oder unwichtig geworden sind. Gute Zeit & Viele Grüße! Jörg Romstötter PS: Kennst Du schon die Blog-Ebooks? Wissen praktisch nach Themen sortiert: hier.
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Meine Hilfestellungen zur Selbstführung und damit zur Führung anderer, erscheinen nicht immer leicht in ihrer Umsetzung. Wobei sie sich gerne offenkundig plausibel, „einfach” und eingängig lesen. Diese Vorgehensweisen werden in ihrer Umsetzung sowohl als äußerst einfach und äußerst schwierig empfunden. Je nachdem, welche Qualität innere „Arbeit” jemand schon mit sich angestellt hat. Selbstführung beginnt mit der Selbst-Begegnung. Ohne sie ist jede erlernte Vorgehensweise lediglich vordergründiges Tun und funktioniert nur rudimentär: Wir werden als „Tool-Anwender” entlarvt. Selbst-Begegnung ist ein Stufenprozess: Wer eine „Stufe” erreicht hat, sieht sich unmittelbar mit der nächsten konfrontiert. Wer keine „Stufen” erkennt, ist nicht etwas schon „angekommen” oder gar „fertig”. Der sieht lediglich (unbewusst) von der nächsten Stufe weg. Was natürlich auch völlig ok ist. Eine der wirksamsten Möglichkeiten zur Selbst-Begegnung und gleichzeitig zur Selbstführung ist seit jeher die Natur. Und dabei im Besonderen das Alleinsein draußen. Sich selbst ein wenig zuhören inmitten der weitenden, klärenden, stärkenden und erdenden Natur, ist ein ganz besonderes Geschenk. Ich wünsche Dir und mir den Mut, dass wir uns dieses Geschenk immer wieder machen.

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