Macht des Auftrags: Wir müssen unsere Partner, Kinder und Kollegen aussenden

Täglich begehen viele Menschen einen sehr schwerwiegenden Fehler. Ohne es zu wissen. Mit diesem Fehler schädigen sie andere und sich selbst. Ohne es zu wissen. Es ist ein Verbrechen, jemanden zurückhalten zu wollen. Es reicht einfach nicht, jemanden gehen zu lassen. Es ist ein Segen, wenn wir uns gegenseitig einen Auftrag erteilen.

Wer nicht aktiv aussendet, hat Angst

Zu gehen und wieder zu kommen, sind völlig natürliche Vorgänge im Leben. Erst durch das Verlassen von Orten, Situationen, Momenten und Menschen, kann Neues entstehen. Jemanden zurückhalten wollen, klammern oder in seinem Weg zu unseren Gunsten beeinflussen zu wollen, ist immer Ausdruck von Angst. Es soll ein Status erhalten werden, der sich bereits überlebt hat. Es soll Leere im Innen gefüllt werden, die wir doch nur selbst füllen können. Es ist Angst vor dem Neuen, die sich speist aus mangelndem Vertrauen in die Zukunft. Welches entstanden ist aus dem mangelnden Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten und den eigenen Wert. Es drückt sich in Eifersucht und im „Dem Partner nicht Vertrauen” aus.

Information erzeugt ein Trugbild

Mangelnde tiefe innere Verbundenheit kann nicht durch Informationen oder körperliche Nähe kompensiert werden. Der allzu rege Informationsaustausch heute täuscht über das mangelnde innere tiefe Verbundensein hinweg. Deshalb sind heute so viele in ihren Beziehungen verunsichert und es geht in die Brüche, was nie richtig bestanden hat. Lieber im Herzen fest verbunden über tausende Kilometer von einander entfernt, als das Gefühl zu haben, im Bett mit einer/m Fremden zu liegen.

Uraltes Wissen und uralte Fähigkeit: Nutze sie

Stelle Dir vor, wie unsere Vorfahren über Jahrmillionen gelebt hatten: Da gingen die Männer in aller Herrgottsfrühe auf die Jagd, auf Handlungsreise, in den Krieg. Niemand wusste, wann und ob sie wiederkehren würden. Ein letzter Kuss vorm Zelt, der Höhle, der Hütte, am Bootssteg: Und weg isser.
Was haben sich unsere Vorfahren da wohl gesagt, als letzte Worte? Wohl irgendwas wie: „Ich komme wieder und bringe reiche Beute mit.” Und „Komm wieder und bring uns was Feines mit. Geh mit XY (Gott Sowieso)!”
Heute ist es im Grunde keinen Deut anders. Wir meinen nur, besser miteinander verbunden zu sein durch Handy und Internet. In Wahrheit sind wir identisch weit auseinander wie ehedem. Wir können uns nur besser abstimmen und dadurch Ungewissheit für Tage oder Stunden beenden: Wie geht es ihm/ ihr unterwegs? Wie geht´s daheim?
Und gerade deshalb sollten wir die Magie des Auseinandergehens und – hoffentlich! – wieder Beisammenseins nutzen und genießen. Sie nicht wegschieben als etwas Furchtbares, sondern sie als Spiel des Lebens betrachten. Denn irgendwann gehen wir für immer auseinander und dann wird es so sein, wie beim ersten Mal.

Für alle ist ein gutes Gefühl das Wichtigste!

Als Gehender fühlen wir uns in unserem Weg, in unserem Tun vollauf bestätigt und unterstützt, bekommen wir, zusätzlich zu unserem Wunsch zu gehen, sogar noch einen machtvollen Auftrag von den Daheimgebliebenen: Wir sind unterwegs in heiliger Mission! Wir tun etwas sehr Wertvolles für uns, unsere Lieben und die Welt. WOW!

Als Daheimgebliebener fühlen wir uns durch unseren aufrichtigen Auftrag an den Gehenden mit diesem tief verbunden. Wir haben das Gefühl, ihn frei zu machen von den Zwängen des Zuhauses und ihm eine Portion Extrakraft für seinen Weg mit zu geben. Wir fühlen, wichtiger Teil seiner Mission zu sein. Wir können in der Zwischenzeit das unsere für uns tun, um unseren Weg kraftvoll zu gehen. WOW!

Auftrag an den Partner

„Ach, jetzt geht er/ sie schon wieder zum XYZ/ so lange in die Arbeit. (Und ich bin sooo allein. Schluchz!)”

Was wir damit kaputt machen:
Das eigenständige Leben unseres Partners. Wir fesseln ihn in eine Anwesenheitspflicht, die keinem Menschen würdig ist. Wir selbst wollten auch nicht gefesselt werden wollen. Unser Partner ist ein eigenständiger Mensch. Er ist nicht unsere „bessere Hälfte”. Wir haben von unserem Partner am meisten, wenn wir ihn beauftragen. Denn dann verfügt er über die Energie seinen Auftrag optimal zu erfüllen.

Ohne Auftrag muss er sich davonstehlen oder wegreißen. Diese Energie steht ihm für seinen Tun nicht zur Verfügung. Wir selbst müssen dann die Nachteile des geringeren Erfolgs unseres Partners mit ihm ausbaden. Ja, auch die Erholung unter Freunden ist ein wichtiger Auftrag, den unser Partner zu erfüllen hat.

Gehen lassen ist zu wenig! Wir müssen unseren Partner beauftragen!

Es ist ein Verbrechen an unserem Partner, wenn wir ihn nicht gehen lassen.
Es ist lauwarmes Einerlei und keine Unterstützung für unseren Partner, wenn wir ihn nur gehen lassen.
Es ist das größte Geschenk und das größte Paket Kraft und Unterstützung, wenn wir ihn hinausschicken und mit dem Auftrag versehen: „Geh und tue, was Du tun musst. Tue, wofür Du geboren bist. Tue Deinen Teil unserer Lebensgemeinschaft. Bring für uns die größtmögliche Beute heim. Pass auf auf Dich. Denn Deine Gesundheit ist wichtig für uns alle. Wir freuen uns auf Dich und die Beute, die Du uns bringst.”

Wer wegschickt, liebt.

Auftrag an die Kinder

„Ach, schade, dass die Kinder schon so groß sind. Jetzt gehen sie bald. (Und ich bin sooo allein und nutzlos. Schluchz!)”

Was wir damit kaputt machen:
Das eigenständige Leben unserer Kinder. Wir fesseln sie in eine Fürsorgepflicht, die nicht zu ihren Aufgaben gehört. Kinder sind eigenständige Menschen, die ihren eigenen Weg gehen dürfen und müssen. Kinder sind kein Partnerersatz oder Ersatzerfüller für ungelebte Lebensträume der Eltern.

Gehen lassen ist zu wenig! Wir müssen unsere Kinder beauftragen!

Es ist ein Verbrechen an den Kindern, wenn wir sie nicht gerne gehen lassen.
Es ist lauwarmes Einerlei und keine Unterstützung für unsere Kinder, wenn wir sie nur gehen lassen.
Es ist das größte Geschenk und das größte Paket Kraft und Unterstützung, wenn wir sie hinausschicken und mit dem Auftrag versehen: „Lebe Dein Leben! Du bist so weit. Gehe hinaus in Dein Leben. Ich habe Dir alles beigebracht, was ich Dir beibringen konnte. Du bist nur Dir selbst verantwortlich. Niemals, hörst Du, niemals darfst Du je tun wollen, was Du meinst, es würde mir gefallen! Jetzt geh und lebe Dein Leben!”

Wer wegschickt, liebt.

Auftrag an die Kollegen

„Ach, schade, dass der jetzt diese Aufgabe macht. Der macht das vielleicht besser als ich. (Und ich bin sooo unwichtig. Jammer!)”

Was wir damit kaputt machen:
Den Erfolg unseres Kollegen, unseres Unternehmens und unseren eigenen Erfolg. Je mehr wir loslassen und und andere tun lassen, wofür sie am besten geeignet sind, ohne auf uns zu achten, desto mehr Erfolg haben wir selbst. Alles andere ist ein Zeichen von Kapitulation: Wir wissen, wir genügen nicht und klammern uns mit Angst an Informationen, Status oder Privilegien.

Gehen lassen ist zu wenig! Wir müssen unsere Kollegen beauftragen!

Es ist ein Verbrechen an unseren Kollegen, an unserem Unternehmen und uns selbst, wenn wir sie nicht gerne gehen lassen. (Hier das Beispiel eines Teamleiters, der Opfer eines Bremsers wurde.)
Es ist lauwarmes Einerlei und keine Unterstützung für unsere Kollegen, wenn wir sie nur gehen lassen.
Es ist das größte Geschenk und das größte Paket Kraft und Unterstützung, wenn wir sie hinausschicken und mit dem Auftrag versehen: „Mach Du das. Du bist am besten dafür geeignet. Hole für uns alle die größtmögliche Beute. Wir unterstützen Dich, wo wir nur können. Was kann ich für Dich tun?”

Wer wegschickt, ist wertvoll.

Kann das Fortgehen eine Flucht sein?

Natürlich. Und oftmals flieht der Gehende vor genau den Menschen, die ihn an sich binden wollen. Lässt der Klammernde locker und „lässt den anderen frei”, dann brennt der Wunsch zu gehen beim Gehende häufig weit weniger stark.

Hauptsache die Haltung stimmt

Optimal ist es, wenn wir Aufträge an unsere Begleiter deutlich aussprechen. Ich weiß, das ist bisweilen schwer. Einfach, weil wir es nicht gewohnt sind, auf so kraftvolle Weise (die für manche theatralisch anmutet) miteinander umzugehen. Die genaue Wortwahl ist weniger wichtig, wie unsere Haltung, unsere innere Einstellung. Wir können Aufträge sogar stillschweigend erteilen. Das ist ohnehin, der erste Schritt, den wir zunächst ganz für uns selbst tun müssen. Zuerst müssen wir mit uns ins Reine und zu der Überzeugung gelangen, diesen Auftrag auch aus ganzem Herzen erteilen zu wollen. Lieber ein stillschweigender Auftrag aus vollem Herzen mit dürren Worten, als ein Lippenbekenntnis in Arien-Manier.

Halte ich selbst, was ich da schreibe?

Meine Frau und ich sind unser halbes Leben ein Paar. Ich war in dieser ganzen Zeit richtig viel unterwegs. War ich unterwegs, hatten wir noch nie viel Kontakt. Manchmal für Wochen nicht. Oft, weil es nicht ging oder ich es nicht wollte.
Freilich war und ist es alles andere als leicht. Freilich wünschten und wünschen wir uns beisammen zu sein. Doch das war und ist nun einmal – selbst gewählt! – gerade nicht dran. Die Zeit des Beisammenseins kommt wieder.
Ja, ich empfinde es sogar so: bin ich unterwegs mit meinen Gedanken ständig zu hause oder habe ein schlechtes Gewissen, weil ich schon wieder weg bin, dann bin ich auch nicht richtig unterwegs. Dann hänge ich immer an daheim und kann mich gar nicht richtig auf das was mir in meinem für mich gültigem Hier und Jetzt geschieht, einlassen. Dann ziehe ich Vergleiche, Sorgen und Gedanken schleichen sich ein, die mich blockieren. Bin ich unterwegs, telefoniere ich heute maximal einmal die Woche kurz mit meiner Familie. Wobei die überwiegende Gesprächszeit meine Buben beanspruchen.

Wie beugen wir mit dem Auftrag, dem Aussenden wirksam vor:
  • unfreiwilliger Leistungszwang: Leistung als Liebesersatz (Liebe durch Leistung)
  • Burnout/ Boreout
  • depressive Episoden oder sogar Depressionen
  • nicht konstruktivem Selbstzweifel und Selbstmitleid (Beide nagen heftig am Selbstwert)
  • Selbstsabotage: inneren Blockaden und Gehemmtheit
  • Neurotizismen
  • Selbstbetrug: Lebenskonzepte, die sich als übertragenes Konzept von anderen erweisen (häufig viele Jahre später im Leben)
  • Groll gegenüber dem Klammerden (häufig viele Jahre später im Leben)
  • Den Eltern nicht verzeihen und danken können

Gute Zeit & Viele Grüße!

Jörg Romstötter

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Meine Hilfestellungen zur Selbstführung und damit zur Führung anderer, erscheinen nicht immer leicht in ihrer Umsetzung. Wobei sie sich gerne offenkundig plausibel, „einfach” und eingängig lesen. Diese Vorgehensweisen werden in ihrer Umsetzung sowohl als äußerst einfach und äußerst schwierig empfunden. Je nachdem, welche Qualität innere „Arbeit” jemand schon mit sich angestellt hat. Selbstführung beginnt mit der Selbst-Begegnung. Ohne sie ist jede erlernte Vorgehensweise lediglich vordergründiges Tun und funktioniert nur rudimentär: Wir werden als „Tool-Anwender” entlarvt.

Selbst-Begegnung ist ein Stufenprozess: Wer eine „Stufe” erreicht hat, sieht sich unmittelbar mit der nächsten konfrontiert. Wer keine „Stufen” erkennt, ist nicht etwas schon „angekommen” oder gar „fertig”. Der sieht lediglich (unbewusst) von der nächsten Stufe weg. Was natürlich auch völlig ok ist.

Eine der wirksamsten Möglichkeiten zur Selbst-Begegnung und gleichzeitig zur Selbstführung ist seit jeher die Natur. Und dabei im Besonderen das Alleinsein draußen. Sich selbst ein wenig zuhören inmitten der weitenden, klärenden, stärkenden und erdenden Natur, ist ein ganz besonderes Geschenk. Ich wünsche Dir und mir den Mut, dass wir uns dieses Geschenk immer wieder machen.