Herbstanfang. Tag- und Nachtgleiche. Eine besondere Zeit bricht an. Ich habe mich mit Tom Wimmer, leidenschaftlicher Fliegenfischer und Natur-Fuchs, über seine Beobachtungen der letzten Jahre in dieser Zeit unterhalten.
Tom Wimmer, was beobachtest Du gerade zum Herbstbeginn, zur Zeit der Tag- und Nachtgleiche?
Wenn ich mit offenen Augen in der Natur unterwegs bin sehe ich viel häufiger Wildtiere aller Art: Rehe, Hasen, Eichhörnchen, Spechte, Eichelhäher usw. Sogar eine Gämse kam neulich bis fast vor unsere Haustüre. Obwohl wir nicht unmittelbar an einem Berg wohnen, sondern im Flachland davor.
Gibt es noch weiter Zeiten während des Jahres an welchen das so ist?
Ja, vor allem Heilige Tage wie um den 1. Mai, Allerheiligen und natürlich Sommer- und Wintersonnwende.
Weshalb ist das wohl so?
Diese Zeiten haben eine ganz eigene Stimmung. Man selbst kommt dadurch in eine besondere Stimmung. Wir haben mehr Bezug zur Natur. Wir werden leichter Teil der Natur. Wir werden von der Natur und ihren Geistern förmlich eingeladen und nicht so stark als Fremdobjekt wahr genommen.
Die Stimmung und überhaupt alles ist intensiver. Die Naturgeister haben eine stärkere Präsenz. Vor allem im Herbst. Er ist auch meine Lieblingsjahreszeit.
Es wird leichter zu sich zu kommen. Das stammt noch aus früherer Zeit, wo unsere Vorfahren nach dem geschäftigen und oftmals stressigen Sommer die Vorräte für den Winter eingelagert hatten.
Auch die Tiere fressen sich nun in wahren Fressorgien ihren Winterspeck an. Kurios ist es, die an den überreifen Beeren berauschten Vögel zu beobachten.
Weshalb gefällt Dir der Herbst so besonders gut?
Die nun beginnende Äschenfischerei hat eine ganz eigene Stimmung: am Morgen ist das Wasser nebelverhangen, die Sonne kommt noch nicht durch. Jedes Geräusch und jeder Schritt ist gedämpft. Tau und Frost schaffen bizarre Bilder. Alles ist völlig ruhig. Der Geruch von Laub und Erde liegt in der Luft. Es ist ein feines Zusammenspiel der Sinne das für den Herbst charakteristisch ist.
Hinzu kommt der Thymian ähnliche Geruch der Äsche. Der mit dem Geruch des Herbstes auf ganz besondere Art zusammenspielt. Untermassige Fische setze ich wieder zurück und vermeide tunlichst sie zu berühren. (Anmerkung: Dadurch kann die schützende Schleimschicht der Äsche verletzt werden und es kann zu Pilzerkrankungen kommen) Muss es dennoch sein um sie vom Haken (ohne Wiederhaken) zu lösen, mache ich das nur mit nasser Hand. Die Hand riecht dann noch sehr lange nach der Äsche und ich schnuppere immer wieder gerne daran.
Du beschreibst sehr gefühlvoll und voller Achtung was Du erlebst. Kann das jeder erleben?
Man muss sich innerlich öffnen und diese besonderen Momente zulassen wollen. Wir dürfen dabei nicht aktiv suchen, sondern müssen uns öffnen und die Natur einfach wirken lassen.
Das gelingt nicht nur manchen Zweibeinern nicht. Sogar einen Hund hatte ich einmal beobachtet, wie er einen friedlich unter einem Baum liegenden und äsenden Damhirsch in der unmittelbaren Nähe nicht bemerkte.
Die besonderen Situationen sind also da. Es liegt an uns, ob wir sie wahrnehmen und was wir damit in uns geschehen lassen?
Ja, genau. Die besonderen Zeiten wie Herbst- oder Frühlingsanfang oder eben die Sonnwenden machen uns das leichter.
Erzählst Du uns noch eine Deiner Anekdoten?
Ich erinnere mich an einen sehr stimmungsvolle Szene. Zum 21. Dezember (Anm. Wintersonnwende) unternahm ich mit meiner Frau Nachts einen Spaziergang in die Auwälder. Es lag noch wenig Schnee aber es schneite kräftig. Starker Reif verzauberte Äste und Zweige. Es war überall ein wundervolles Glitzern. Über Allem lag eine sehr feierliche Stimmung. Wir sahen sehr viele Rehe, die sich von uns beim Äsen überhaupt nicht stören ließen. Sie zeigten keine Furcht. Sie sahen uns an und fraßen wie selbstverständlich weiter.
Vielen Dank Tom, dass Du Deine Erfahrungen mit uns teilst! Sie machen richtig Lust gleich hinaus zu gehen. Ich wünsche Dir einen besonders schönen Herbst und viele in Erinnerung bleibende Zeiten in der Natur.
Dein
Jörg Romstötter