Fachkräftemangel löst sich durch binden, nicht durch finden
Der Fokus auf Quantität bei der Bewältigung des Fachkräftemangels verschwendet die Kräfte und Milliarden. Geben wir endlich der Qualität unserer Unternehmenskulturen diese Zeit- und Finanzmittel, beenden wir den Fachkräftemangel.
Bei der aktuell wieder verstärkt aufflackernden Diskussion um den Fachkräftemangel kommt mir dieses Bild: mit einer riesigen Schaufel baggern die HR-Abteilungen und Rekruiter bergeweise Bewerber in die Unternehmen. Dort fallen sie über ein recht grobes Gitter und nur Wenige bleiben hängen. Die weitaus Meisten fallen unten heraus und wieder auf den Bewerberhaufen. Von dort werden sie mit einer weiteren Schaufel in eine weiteres Unternehmen gebaggert. Und so fort.
Die sehr bemühte und ausgeklügelte Arbeit von HR-Abteilungen oder Recruitern zu kritisieren liegt mir fern. Was mir aufstößt, ist die Kurzfristigkeit unseres gesamten Kräfteeinsatzes.
Wir bilden unsere Kinder in Schulen, Ausbildungen und Hochschulen über zig Jahre aus, nur um sie dann in einem Dschungel an Möglichkeiten auszusetzen. Alleiniges Kriterium ist das Hängenbleiben irgendwo. Mit welcher Qualität und damit mit welchem Output, welcher der gesamten Volkswirtschaft zu Gute kommt, scheint völlig irrelevant.
„Gefällt es Dir nicht mehr, gehst Du eben wo anders hin.“
Und so weiter und so weiter. Das ist auf den ersten Blick natürlich sehr gut. Die mannigfachen Chancen heute sind vortrefflich.
Verbirgt sich hinter diesem Gehopse von einer Stelle zur nächsten, von einem Unternehmen zum nächsten, ja von einer Gemeinschaft zur nächsten, nicht noch Weiteres, bei näherer Betrachtung sogar Erschütterndes und höchst Kostspieliges?
Wer sich aufrichtig engagiert, der wechselt nicht einfach so von heute auf morgen. Denn um sich echt in eine Gemeinschaft, wie sie jedes Unternehmen ist, einzufinden, braucht es Zeit und Willen. Besteht eine echte, verbindliche Gemeinschaft, ist es auch weitaus einfacher sich einzufinden, da die Gemeinschaft festen Werten und damit Regeln unterliegt. Sie ermöglicht und – das ist sehr wichtig – fordert nach einer gewissen Schnupperphase eine möglichst vollständige Eingliederung. Wer das nicht will, geht lieber wieder. Wer hingegen die Gemeinschaft seines Unternehmens als wertvoll für sich erachtet, der will sich aus freien Stücken, so vollständig wie möglich in sie eingliedern, denn nur dann fühlt er sich wohl.
So mir nichts dir nichts verlassen wir eine Gemeinschaft nicht. Entweder es bestand keine, oder wir wollten oder konnten uns nicht mit dieser wirklich identifizieren. Wer allenthalben wechselt, der hat sich entweder nicht richtig mit seinem Unternehmen auseinandergesetzt oder dem wurde gar nicht die Möglichkeit dazu gegeben.
Engagement ist nicht das Selbe wie Identifikation
Und genau hier liegt der Hund bei den meisten Unternehmen begraben. Sie verwechseln eine attraktive Boni, Titel und Ausstattung mit echter Identifikation. Und dann sind gute Leute von heute auf morgen weg. Einfach weil sie keine emotionale Heimat gefunden hatten, egal wie hoch ihr Engagement war.
Einem Produkt geben wir heute den Laufpass, einer echten Gemeinschaft halten wir gerne lange die Treue. Denn diese hält auch uns die Treue. Natürlich wollen wir auch einmal etwas anderes machen, neue Aufgaben, neue Verantwortungen, neue Kollegen. Das ist nur natürlich und definitiv vorteilhaft. Dieser Wunsch muss von Unternehmen heute noch viel mehr in echte Tatsachen gewandelt werden. Wir brauchen ein echtes Aufgreifen von Wünschen in ein Umwandeln in wirkungsvolle Aktivitäten quer durch das gesamte Unternehmen. Wenn es sein muss, sogar zu anderen Unternehmen.
Die viel beschworene Generation Y tickt da keinen Funken anders. Ihr Ticken ist kein Generationenphänomen, sondern nur der allgemeine Ausdruck unserer Zeit. Der Boom der Social Media zeigt so deutlich wie nichts anderes den innigen Wunsch nach Gemeinschaft, Zugehörigkeit, Identifikation. Geben das die Unternehmen nicht, suchen wir uns das wo anders. Ein Soziales Netzwerk bleibt schließlich bestehen, egal für wen wir gerade arbeiten.
Für Unternehmen ist das fatal. Mit nur oberflächlich identifizierten Mitarbeitern lassen sich weder rasante Entwicklungen noch umfassende Changes vollbringen.
Fachkräftemangel einfach beenden
Viel zu viel Energie muss darauf verwendet werden die immer neuen Löcher zu stopfen welche die Fortgehenden hinterlassen. Immer neue Bewerber brauchen wir und damit einen schier unerschöpflichen Pool an Fachkräften. Diese Energie wäre weit besser eingesetzt in der emotionalen Bindung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Denn bei der Vielzahl an Durchgeschleusten verbergen sich definitiv Einige, die bei eingehenderer Betrachtung sehr wohl gepasst hätten.
So lange wir der Quantität der Fachkräftedurchschleusung den Vorzug vor einer qualitativ hochwertigen, wertschätzenden und damit verbindlichen Unternehmenskultur geben, so lange zahlen wir den Preis für einen eklatanten Fachkräftemangel, eine geringe Identifikation und damit einen geringen Markterfolg.
Ein Unternehmen, das ehrlich Werte lebt, die ein Miteinander auf Augenhöhe möglich macht, wird seine Kreise ziehen und die richtigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter anziehen. Nutze diese Maßnahmen um die Sichtbarkeit Deines Unternehmens dort zu erhöhen, wo es für die Fachkräfterekruiting am meisten Sinn macht: in Deinem Unternehmensumfeld.
Setze jetzt diese Maßnahmen:
1. Mentor für jeden
Jeder neue Mitarbeiter, egal welchen Alters, welcher Erfahrung und Hierarchiestufe, bekommt einen Mentor zu Seite gestellt. Für den Zeitraum von mindestens einem Jahr.
Der Mentor
- ist eine Persönlichkeit, die das Unternehmen gut kennt und als loyaler Leistungsträger gilt
- ist eine integre und offene Persönlichkeit, der daran gelegen ist dass andere wachsen und ein Gewinn für das Unternehmen sind
- führt seinen Mentee aktiv in das Unternehmen ein
- ist erster Ansprechpartner für alle Fragen seines Mentee; dies gilt nur so weit passend für Fachfragen
- muss keine Führungsaufgabe inne haben
2. Ehemalig wertschätzen und beauftragen = echte Wertschätzung für das Geleistete
- Jeder verdient ausgeschiedene Mitarbeiter, von dem man sich im Guten getrennt hat, wird bis an sein Lebensende zu Firmenveranstaltungen eingeladen. Durch das Beisein bei den Veranstaltungen bleibt der Ehemalige mit den Ereignissen und Entwicklungen im Unternehmen verbunden und somit informiert. Die Aktiven erleben diese Wertschätzung und können die für sich selbst ebenfalls erwarten. Sie erleben, wie sehr sie als Mensch wahr genommen werden.
- Die Ehemaligen werden von der Geschäftsleitung besonders willkommen geheißen, denn sie haben mit ihrer Arbeit die Voraussetzungen für das was heute ist geschaffen.
Ein Ehemaliger kann sein:
- Multiplikator der Unternehmensstimmung im privaten und ggf. beruflichen Umfeld
- Rekruter für Auszubildende und Mitarbeiter
- Fürsprecher für Junge Leute mit unvorteilhaften Startbedingungen, da er dessen Umfeld kennt und Verbindlichkeiten schaffen kann - Springer bei Engpässen und zu Vertretungszwecken; natürlich nur bei Eignung
- „halbexterner“ Coach, Trainer, Berater; natürlich nur bei Eignung
Das muss nicht immer mit Kosten verbunden sein. Viele Ruheständler freuen sich, wenn sie gebraucht werden und Jüngeren helfen können. Außerdem ist einem die Gestaltung der Intensität des Kontaktes völlig frei. Besonders Geeignete und Willige werden eben stärker eingebunden und erhalten auch monetäre oder äquivalente Vergütungen dafür. Weniger Geeignete lädt man eben zur Jahresfeier ein, spendiert ein Essen und bemüht sich ihnen ein positives Bild und Gefühl mitzugeben, das noch lange nachwirkt.
3. Aktiv Ferienjobs anbieten
So kannst Du prüfen, wer sich zur Ausbildung eignet. Und zudem besteht über die Jobber ein Zugangspunkt zu dessen Freundes- und Bekanntenkreis.
4. Jobgarantien
Gib Deinen Mitarbeitern für ihre Kinder eine Ausbildungsplatz- und Jobgarantie.
Das funktioniert fabelhaft, wie der herausragende Unternehmer Wolfgang Grupp mit TRIGEMA überdeutlich sei Jahrzehnten beweist.
5. Mitarbeiter wirbt Mitarbeiter
Gute Leute empfehlen gute Leute. Bevor jemand einen anderen empfiehlt, ist er von dessen Vorteil für den anderen und von dessen Qualität überzeugt. Sprich Deine Besten gezielt an und erforsche mit diesen gemeinsam, welcher der Bekannten und Verwandten sich für eine Mitarbeit eignen könnte. Sprich weniger über die Qualifikationen, sondern mehr über deren Einstellungen, Charakter und Motivationen. Über kurz oder lang finden sich sicher Aufgabenbereiche. Vereinbare mit Deinen Besten ganz individuelle „Fangprämien“. Nicht immer muss es Geld sein. Manch einer will mehr Freizeit oder mehr Flexibilität.
Du hast Fragen? Melde Dich gerne!
Gute Zeit und Viele Grüße!
Jörg Romstötter
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Meine Hilfestellungen zur Selbstführung und damit zur Führung anderer, erscheinen nicht immer leicht in ihrer Umsetzung. Wobei sie sich gerne offenkundig plausibel, „einfach” und eingängig lesen. Diese Vorgehensweisen, werde in ihrer Umsetzung sowohl als äußerst einfach und äußerst schwierig empfunden. Je nachdem, welche Qualität innere „Arbeit” jemand schon mit sich angestellt hat. Selbstführung beginnt mit der Selbst-Begegnung. Ohne sie ist jede erlernte Vorgehensweise lediglich vordergründiges Tun und funktioniert nur rudimentär: Wir werden als „Tool-Anwender” entlarvt.
Selbst-Begegnung ist ein Stufenprozess: Wer eine „Stufe” erreicht hat, sieht sich unmittelbar mit der nächsten konfrontiert. Wer keine „Stufen” erkennt, ist nicht etwas schon „angekommen” oder gar „fertig”. Der sieht lediglich (unbewusst) von der nächsten Stufe weg. Was natürlich auch völlig ok ist.
Eine der wirksamsten Möglichkeiten zur Selbst-Begegnung und gleichzeitig zur Selbstführung ist seit jeher die Natur. Und dabei im Besonderen das Alleinsein draußen. Sich selbst ein wenig zuhören inmitten der weitenden, klärenden, stärkenden und erdenden Natur, ist ein ganz besonderes Geschenk. Ich wünsche Dir und mir den Mut, dass wir uns dieses Geschenk immer wieder machen.
2 Gedanken zu „5 starke Maßnahmen gegen den Fachkräftemangel“