Empathie: Ohne Gefühlsduselei zeitlos erfolgreich führen. Mit Hirn, Herz und Hand!

„Empathie” – eine der häufigsten und abgedroschensten Worthülsen im Führungswissen. Trotzdem ist kaum etwas wichtiger als lebendige Empathie für jene, die zeitlos wirksam führen wollen. Was ist Empathie genau und wie umgehen wir ihre Fallen?

 

Empathie ist Einfühlungsvermögen – und fängt bei uns selbst an.“

„Ja, ja, Mitgefühl mit mir selbst, das kenne ich schon, das mache ich jeden Tag!” 

Das wünsche ich Dir! Doch welche innere Stimme regt sich stante pede, wenn Du etwas vergisst, einen Fehler machst, etwas nicht kannst, Deine eigenen Vorsätze brichst? Oder Dich jemand beleidigt, provoziert, ungerecht behandelt? Dir andere gesünder, fitter, attraktiver, erfolgreicher, kompetenter, einflussreicher, cleverer, liebenswerter, glücklicher usw. erscheinen?
Bleibst Du da wirklich immer völlig gelassen? Du fühlst Dich kein bißchen cool, ärgerlich oder destruktiv?

Das dürfte dauerhaft den Allerwenigsten gelingen. Denn das würde bedeuten, wir nehmen uns vollständig selbst an. Unsere Selbstliebe wäre dann vollständig. Ist es nicht vielmehr ein Merkmal gelingender Selbstertappung, wenn wir uns dabei erwischen, wie wir dem Ego (=Angst) Vortritt vor unserer Selbstliebe geben? Einfach, um uns selbst auf die Schliche zu kommen, wie wir uns selbst verurteilen? Um genau dann uns erneut zu uns zu bekennen: Ich liebe dich.

Daraus zu erkennen, durch das gesamte Leben hindurch „auf dem Weg” zu sein, niemals „fertig” zu sein als Persönlichkeit. Das heißt, niemals abschließend eine „gute Führungskraft” zu sein. Um permanent zu erleben, dass die besten „Lehrer” im „Modus des Schülers” sind.

Empathische Führungskräfte sind erfolgreicher

Weil sie

 

  • ihr und unser aller Menschsein nicht verleugnen
  • zeigen, wie wir nur miteinander erfolgreich sein können
  • zugeben, dass jeder Stärken und Schwächen hat
  • wissen, wie gerade Schwierigkeiten die Voraussetzung für umso größere Chancen und Erfolge sind
  • die Stärken jedes einzelnen zu einem umso kraftvollerem großen Ganzen verknüpfen können
  • sie ein vertrauensvolles Miteinander erschaffen und pflegen (Vertrauen ist die Basis von dauerhafter Hochleistung und Loyalität)
  • sich selbst weder überfordern noch ausbeuten
  • Götter neben und über sich dulden – das erst macht eine Gemeinschaft erfolgreich
  • Manipulation nicht nötig haben

Empathie erreichen wir durch drei Aspekte

1. Affektansteckung

Wir sind fähig und willens uns von den Emotionen unseres Gegenüber bewegen zu lassen und diese in einem gewissem Umfang mitzuerleben.

Bedeutet:
Wir sind damit bereit, unseren Gefühlen einen gewissen freien Lauf zu lassen. So weit, wie wir es für die (Arbeits-)Beziehung mit unserem Gegenüber für richtig halten.

Nutzen:
Damit ist es uns möglich, an unsere Erfahrungen mit einem ähnlichen Gefühlszustand und unseren Bewältigungsstrategien (Coping) zu aktivieren und sie im Späteren unserem Gegenüber zur Verfügung zu stellen.

2. Perspektivenübernahme

Wir sind fähig und willens uns in die innere und äußere Situation eines anderen hineinzuversetzen und seine Lage mit seinen Augen zu betrachten.

Bedeutet:
Wir stellen unsere Beurteilung zunächst zurück und lassen uns darauf ein, wie unser Gegenüber seine aktuelle Situation erlebt.
Das fällt vielen sehr schwer. Nur allzu leicht verfallen sie ihren Impulsen schnell mit Ratschlägen, Tips, Relativierungen und Beschwichtigungen zur Stelle zu sein.

Nutzen:
Wir verstehen besser, dass unser Gegenüber sich durch seine inneren, vorwiegend unbewussten, Muster in diese Situation mit hinein gebracht hat. Damit ist es uns möglich, auch seine gefühlt begrenzte Handlungsfreiheit zu verstehen. Auch die beklemmenden Gefühle, nicht frei handeln zu können empfinden wir mit ihren destruktiven Auswirkungen auf unsere Gedanken und Fähigkeiten nach.

3. Kontext der sozialen Situation verstehen

Wir sind fähig und willens wahr zu nehmen, in welchem allgemeinen und umfassenden sozialen und interpersonellem Bezugssystem sich unser Gegenüber befindet.

Dazu ergänzen und relativieren wir die subjektive Sichtweise unseres Gegenüber durch unsere externe Perspektive.1)

Bedeutet:
Wir interessieren uns und verstehen, in welcher „Welt” unser Gegenüber lebt. Wir sind uns bewusst, dass niemand „so ist”, sondern „so tut”. Beispiel: Unser gegenüber besticht durch seine Genauigkeit in seiner Arbeitsweise. Er ist nicht genau. Er arbeitet genau. Verhaltensweisen von anderen als Wesenszuschreibungen zu nutzen ist eine hoffnungslose Reduzierung und Schubladisierung. Ich weiß, wir sprechen so. Doch wir sollten uns wenigstens in der Selbstreflexion unserer Haltung im Gespräch mit anderen von Zuschreibungen aufgrund von gewohnten Verhaltensweisen lösen. Nur so ist es uns möglich Wirkungen des Umfeldes zu erkennen.

Nutzen:
Kennen wir einigermaßen den Lebenskontext, den sich jemand geschaffen hat und in den er (wie wir alle) zufällig hineingeboren wurde, fällt es uns leichter sein Verhalten – gerade in schwierigen Situationen – nachzuvollziehen.

Nur dann können wir in eine stimmige Lösungshaltung gelangen und Bewältigungsstrategien (Coping) gemeinsam erschließen bzw. geschmeidig, ohne zu brüskieren, platzieren. (Mehr dazu bei „Sind Ratschläge wirklich Schläge?”)

 

Achtung: Kein Mitleid, sondern Mitgefühl!

Wer Mitleid hat, leidet mit. Davon hat der Bemitleidete nichts. Denn der Mitleidende versinkt ebenso wie der Bemitleidete in seinen Gefühlen, die ihm Leid erleben lassen. Im Zustand des Leids ist der Mitleidende keine Hilfe für den Bemitleideten, da er ebenfalls ein Hilfebedürftiger geworden ist. Im Leid können wir weder unsere psychischen noch physischen Kapazitäten voll nutzen. So können wir auch niemand anderem eine wertvolle Hilfe sein. Im Gegenteil, wir mißbrauchen die Hilfebedürftigkeit um unseren Selbstwert aufzumöbeln.

 

Versteigen wir uns in grenzenlose Empathie, zeigt dies gerade einen Mangel an Empathie. 

Denn vollständiges sich hingeben in die (Gefühls-)Welt des anderen offenbart gerade eine geringe Selbstliebe. Das kennen wir vom Helfersyndrom: Die Bedürftigkeit des anderen wird genutzt um sich selbst gebraucht, wichtig und geliebt zu fühlen. Wer immer wieder die Bestätigung braucht geliebt zu sein, liebt sich selbst nicht. Wer sich selbst liebt, verliert sich nicht im anderen, sondern kann bei sich und gleichzeitig beim andern sein. Dann ist er auch eine wertvolle Hilfe für den anderen. Wer dem Helfersyndrom zum Opfer fällt, läuft Gefahr ein Burnout oder eine anderes depressive Erkrankung zu entwickeln. Ein Gefahrensignal dafür kann die psychische Sättigung sein.

„Alle Dinge sind Gift, und nichts ist ohne Gift; allein die Dosis machts, dass ein Ding kein Gift sei.“
Paracelsus

 

Deshalb:

 

  • Wir gehen aktiv in die Haltung des Mitgefühls.
  • Wir bleiben emotional bei uns. Dadurch schützen wir unsere Gefühlswelt vor nutzloser Verausgabung.
  • Wir stellen unsere geistige Kapazität unserem Gegenüber zur Verfügung, um gemeinsam Lösungen zur Beseitigung des Problems zu entwickeln.

Hier findest Du Beispiele für Situationen und Vorgehensweisen, in welchen eine empathische Haltung entscheidend für eine stimmige Lösungsfindung ist:
Das clevere Krankenrückkehrgespräch: Krankenstand runter, Motivation rauf
Angst in Veränderungen: Opfer und Gestalter der Angst
Corona zeigt uns, wie wir unter Angst versagen
Mobbing: Der Mobber ist das Opfer – Wie Mobbing ein krankes System zeigt
Rebellion: Die Lust dagegen zu sein gibt Lebenssinn
Emotionen verraten Symptome für tief sitzende Probleme

Gute Zeit & Viele Grüße!

Jörg Romstötter

PS: Kennst Du schon die Blog-Ebooks? Wissen praktisch nach Themen sortiert: hier.

1) Dr. Wöller, Wolfgang; Dr. Kruse, Johannes: „Tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie”, 2018, S. 198

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Meine Hilfestellungen zur Selbstführung und damit zur Führung anderer, erscheinen nicht immer leicht in ihrer Umsetzung. Wobei sie sich gerne offenkundig plausibel, „einfach” und eingängig lesen. Diese Vorgehensweisen, werden in ihrer Umsetzung sowohl als äußerst einfach und äußerst schwierig empfunden. Je nachdem, welche Qualität innere „Arbeit” jemand schon mit sich angestellt hat. Selbstführung beginnt mit der Selbst-Begegnung. Ohne sie ist jede erlernte Vorgehensweise lediglich vordergründiges Tun und funktioniert nur rudimentär: Wir werden als „Tool-Anwender” entlarvt.

Selbst-Begegnung ist ein Stufenprozess: Wer eine „Stufe” erreicht hat, sieht sich unmittelbar mit der nächsten konfrontiert. Wer keine „Stufen” erkennt, ist nicht etwas schon „angekommen” oder gar „fertig”. Der sieht lediglich (unbewusst) von der nächsten Stufe weg. Was natürlich auch völlig ok ist.

Eine der wirksamsten Möglichkeiten zur Selbst-Begegnung und gleichzeitig zur Selbstführung ist seit jeher die Natur. Und dabei im Besonderen das Alleinsein draußen. Sich selbst ein wenig zuhören inmitten der weitenden, klärenden, stärkenden und erdenden Natur, ist ein ganz besonderes Geschenk. Ich wünsche Dir und mir den Mut, dass wir uns dieses Geschenk immer wieder machen.