Wie wäre es ganz ohne Disziplin auszukommen? Ganz ohne Selbstdisziplinierung, ganz ohne Disziplinierung anderer?
Das geht doch nicht! Wo kämen wir da hin? Nur wer hart dran bleibt, erreicht etwas. Das ist völlig richtig.
Wir müssen nur unterscheiden zwischen Disziplin und Konsequenz.
Vielleicht ist es Dir eben so schon ergangen: Du willst etwas einfach tun, Du willst etwas erreichen, vollbringen. Dazu hast Du Dir eine Vorgehensweise zurecht gelegt. Vielleicht einen Plan gemacht, in dem Du sogar festgelegt hast, was Du bis wann erreicht haben möchtest. Du tust so vor Dich hin, Dein Ziel fest im Blick. Ohne viel Nachdenken sagst Du zu gewissen Dingen „Nein“, zu anderen Dingen „Ja“. Du weißt einfach, was zu tun ist, wo Du „hinlangen“ musst. Es geht Dir von der Hand. Wiederstände räumst Du ohne mit der Wimper zu zucken aus dem Weg oder weichst ihnen geschickt aus. Klar spürst Du, es kostet Dich Kraft. Doch viel mehr beflügelt Dich Dein Weg. Gibt Dir viel mehr Kraft zurück. Es geht Dir einfach supergut dabei.
Andere, die Dich beobachten, sagen: „Toll, wie du das machst! Du hast eben so viel Selbstdisziplin. Dann geht das.“
Nur ist das tatsächlich so? Disziplinierst Du Dich? Nein, Du bleibst nur konsequent an Deiner Sache dran. Einfach, weil Du Dein Ziel erreichen willst. Du hast einfach keine Lust auf Ablenkungen. Weil Du es so willst.
Wer sich keiner Sache je verschrieben hat, der weiß nicht, dass dies jeder haben kann. Wenn man nur weiß was man will, dann ist Disziplin einfach.
Dann ist Disziplin die logische Konsequenz.
Wenn ich mein Ziel kenne, brauche ich buchstäblich nichts um es zu erreichen. Ich schaffe mir, was ich brauche. Wenn ich mir im Ziel nicht völlig klar bin, brauche ich allerlei Hilfsmittel. Da liest man dann vielleicht Unmengen an Büchern über Prinzipien und Methoden, fragt andere was sie tun würden, man versucht dies und überlegt das. Heute ist man sich seiner Sache sicher und morgen von Zweifeln zerfressen.
Wirklich weiter bringt einen das nicht. Folgt man dann noch Methoden, die andere als für sich selbst wirkungsvoll erachten, bringt einen das womöglich sogar immer weiter von seinem noch wagen Ziel weg. Da man sich mehr mit dem Wie des Weges beschäftigt als mit dem Weg und dem Ziel selbst. Doch der Weg ergibt sich von ganz allein, wenn man sein Ziel kennt.
Es ist ja völlig klar: wenn ich etwas, egal was, nur hartnäckig und hirnausgeschaltet genug tue, dann werde ich immer Erfolg haben. Ein Scheitern schließt man da ja ganz explizit aus. Ein Scheitern wird niemals akzeptiert. Der Weg so lange fortgesetzt, Mittel und Methoden so lange getestet und verwendet, bis es irgendwann irgendwie funktioniert. Koste es was es wolle! Da kann man ja gar nicht Scheitern. Denn Scheitern definiert man ja genauso wie das Ziel vorab. Scheitern ist aufgeben. Und wenn man nicht aufgibt, kann man nie Scheitern.
Die Frage ist nur: will ich diesen Preis für das Ziel bezahlen? Oder halte ich lieber auf meinem Weg Augen, Ohren und mein Gefühl offen und erkenne Ungeahntes?
Kennen wir unser Ziel, brauchen wir keine einzige Methode. Wir können in der Rückschau dann berichten, welche Kombination von Verhaltensweisen uns ans Ziel gebracht hat. Doch an der Methode lag es sicher nicht, dass wir unser Ziel erreicht hatten.
Es lag einzig und allein in der Klarheit des Ziels.
Das glaubst Du nicht? Nun, dann lass uns ein paar Beispiele ansehen:
Jemand will einen Marathon laufen. Er ist in seinem Leben noch nie weiter als den Pflichtkilometer in der Schule vor über 20 Jahren gerannt.
Wenn er wirklich will – Gesundheit, also die körperliche Fähigkeit vorausgesetzt – dann wird er es schaffen, in den nächsten Jahren seinen Marathon zu laufen.
Will er den Marathon möglichst rasch, vielleicht im nächsten Jahr schon laufen, wird er einfach ein ganzes Stück konsequenter trainieren. Er braucht dazu weder Trainer noch Trainingspläne. Und damit meine ich wirklich brauchen. Denn man kann auch ohne weitergehendes Wissen auf einen Marathon trainieren. Natürlich geht es leichter und effizienter wenn man Trainingspläne und Läufertrips konsultiert, seine Ernährung optimiert und was weiß ich noch alles.
Doch was hat ihn an sein Ziel gebracht? Nur eines: der Wunsch den Marathon zu laufen. Nichts weiter. Kein noch so toller Trainingsplan, kein noch so guter Trainer, keine noch so optimierte Ernährung wird ihn dazu befähigen. Es geht vielleicht etwas leichter, er wird vielleicht mit weniger Aufwand seinen Fitnessgrad erhöhen, er wird weniger ausprobieren müssen. Gut. Doch nur er allein befähigt sich dazu! Sonst nichts und niemand.
Unser Marathoni war ungeheuer sicher in seinem Ziel, deshalb war er ungeheuer konsequent. Er war in keinem Moment diszipliniert.
Ein anderer will richtig Karriere in einem großen Unternehmen machen. Er wählt dazu einen geeigneten Studiengang, setzt noch ein Aufbaustudium drauf, schließt alles mit Auszeichnungen ab, bemüht sich um Stipendien und promoviert. Seine Freizeit nutzt er zur intensiven und zieloptimierten Netzwerkpflege. Im Büro ist er morgens der Erste und Abends macht er das Licht aus. Er weiß, mit wem er was redet. Er weiß, wen er kennen muss und wen man meidet. Freilich informiert er sich über die Musts und Donts der Etikette. Konsultiert Coaches und Berater. Doch er wird seinen eigenen Erfolgsstil kreieren, wodurch seinem Unternehmen unmissverständlich wird: „Das ist unser Mann/ unsere Frau für die Zukunft.“
War er diszipliniert? Nein, er war nur konsequent in seinem Ziel. Er wusste, was er wollte. Nichts weiter.
Meister der Disziplinlosigkeit sind Kinder. Ein Kind kann stundenlang toben und herumklettern anschließend versonnen Malen und Basteln, Bücher lesen, sein Instrument nehmen und spielen – und das den lieben langen Tag. Ganz ohne Plan, ohne Ziel. Einfach weil es ihm Spaß macht. Weil es diese Dinge tun will. Und es wird automatisch besser. Meist sogar unglaublich schnell besser. Es wird so lange an dem Baum herum probieren, bis es endlich ganz oben ist. Es wird so lange das Musikstück üben, bis es dieses auswendig kann.
Warum kann das ein Kind so gut? Es entwickelt ein Gefühl. Und wo man ein Gefühl entwickelt, da harmonieren Gehirn, Herz und Bauch in vollendeter Art und Weise. Wo man diese Harmonie zulässt ist man sagenhaft gut und geht voll darin auf.
Würde man dem Kind sagen was es tun soll, wäre sein Lernfortschritt deutlich langsamer und geringer. Zudem verlöre es das Interesse an der Sache. Gänzlich zerstören lässt sich sein Freude am Tun, wenn wir es belohnt. Hat ein Kind gefunden was es tun will, braucht es niemanden der es immer wieder dazu motiviert oder ermahnt. Und es ist doch ganz natürlich, Verschiedenes auszuprobieren bis man wirklich weiß, was man will.
Genauso natürlich ist es zu pausieren. Profis, ob Künstler oder Sportler, gesteht man das ein. Uns Normalos gestehen wir das selbst nicht zu. Wir sollen – oder vielleicht doch wollen? – immer und überall gut sein und bemühen die Profis in ihrem Paradefach. Wir betrachten den Profi nicht als gesamte Person. So blenden wir aus, was ganz normal ist und für alle Menschen gilt: jeder hat seine Schwächen.
Deshalb ist der Profi Profi und der Laie Laie. Hier ist der Unterschied:
Der Profi trainiert/ übt die wichtigen Bereiche konsequenter als der Laie. Der Profi macht konsequenter Pause als der Laie.
Der Profi ist deshalb Profi, weil er sich auf seine eine Sache konzentriert.
Der Clou ist zu wissen, was seine eine Sache ist. Es ist sinnig das möglichst schnell herauszufinden. Das ist der Stein der Weisen, der Heilige Gral. Wenn wir das wissen, sind wir mit einem Fingerschnipp konsequent und damit erfolgreich.
Was uns wieder zur Disziplin führt. Was ist der Unterschied zwischen Disziplin und Konsequenz.
Disziplin muss dann eingesetzt werden, wenn die Eigenmotivation zur Konsequenz fehlt. Muss ich Unternehmensziele mit attraktiven Boni für meine Mitarbeiter verknüpfen damit sie diszipliniert diese zu erreichen versuchen, ist klar, dass sie Ziele verfolgen, die für sie selbst nicht nachvollziehbar sind. Sie sind nicht nachvollziehbar, weil sie nicht erstrebenswert sind (Hier ein Beitrag zum Führen ohne Kennzahlen).
Ein gutes Zeichen für notwendige Disziplin ist das Fehlen jeglicher Disziplin, so bald man die disziplinarischen Maßnahmen aussetzt. Das Paradebeispiel ist das Militär. Hier wird Disziplin seit jeher mit gnadenlosem Drill erzeugt. Die Ziele sind auch hier seit jeher für den einzelnen Soldaten sehr selten wirklich nachvollziehbar und sein eigener direkter Nutzen nur mehr als wage. In einer Freiwilligenarmee müsste es demnach gar keine Befehle geben. Doch wir müssen gar nicht das Militär als Sonderform des menschlichen Miteinanders bemühen. Werfen wir doch einen Blick in Unternehmen und Organisationen. Oft herrscht hier ein weit gnadenloserer Drill als in Armeen, wenn auch auf viel subtilere Art und Weise: Angst durch vorgegaukelte Abhängigkeit.
So lässt sich das Vorhandensein oder eben nicht Vorhandensein von Disziplin leicht auf einen Nenner bringen. Wer mangelnde Disziplin beklagt, der hat Mitarbeiter die tun was sie nicht tun wollen. Oder: Der versteht nicht seinen wollenden Mitarbeitern den Rahmen zu geben, den sie brauchen um sich voll zu entfalten.
Vernimmt man Unwohlsein wenn man nicht an seiner Sache weiterarbeiten kann, ist das ein gutes Zeichen für Konsequenz. Es geht einem nicht gut dabei. Man ist unruhig und gereizt. Hat das Gefühl, seine Zeit zu verplempern. Erst wenn man wieder an seinem Ziel weiter basteln kann ist man befriedigt. Wie langsam es auch voran gehen mag. Dann befindet man sich in einem meditativen Zustand (irgendwo zwischen Alpha- und Thetazustand), den man so oft als möglich erreichen möchte. Denn nicht nur steif und verknotet mit geschlossenen Augen in der Ecke sitzen ist Meditation. Sondern alles was ich in völliger Präsenz, also Gedanken verloren, tue.
Abschließend fass ich zusammen: Wollen wir in einer Sache Erfolg haben, dann müssen wir das tun, was wir wirklich tun wollen. Es muss einem ein Bedürfnis sein dies zu tun. Dann sind wir selbstverständlich konsequent. Und konsequentes Tun bringt Erfolg.
Reflexion ist dafür kostbar. Im Coaching unterstütze ich Dich gerne.
Hier zwei weitere Beiträge zum Thema Disziplin:
Teil 1 – Wie erzeuge ich Disziplin automatisch?
Teil 2 – …und Disziplin macht plötzlich Freude!
Gute Zeit & Beste Grüße!
Jörg Romstötter
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Meine Hilfestellungen zur Selbstführung und damit zur Führung anderer, erscheinen nicht immer leicht in ihrer Umsetzung. Wobei sie sich gerne offenkundig plausibel, „einfach” und eingängig lesen. Diese Vorgehensweisen, werde in ihrer Umsetzung sowohl als äußerst einfach und äußerst schwierig empfunden. Je nachdem, welche Qualität innere „Arbeit” jemand schon mit sich angestellt hat. Selbstführung beginnt mit der Selbst-Begegnung. Ohne sie ist jede erlernte Vorgehensweise lediglich vordergründiges Tun und funktioniert nur rudimentär: Wir werden als „Tool-Anwender” entlarvt.
Selbst-Begegnung ist ein Stufenprozess: Wer eine „Stufe” erreicht hat, sieht sich unmittelbar mit der nächsten konfrontiert. Wer keine „Stufen” erkennt, ist nicht etwas schon „angekommen” oder gar „fertig”. Der sieht lediglich (unbewusst) von der nächsten Stufe weg. Was natürlich auch völlig ok ist.
Eine der wirksamsten Möglichkeiten zur Selbst-Begegnung und gleichzeitig zur Selbstführung ist seit jeher die Natur. Und dabei im Besonderen das Alleinsein draußen. Sich selbst ein wenig zuhören inmitten der weitenden, klärenden, stärkenden und erdenden Natur, ist ein ganz besonderes Geschenk. Ich wünsche Dir und mir den Mut, dass wir uns dieses Geschenk immer wieder machen.