Wollen wir Einstellungen und Haltungen ändern, machen wir im Grunde Angstbewältigung, Denn Veränderung macht Angst. Auch wenn sie nur schwer eingestanden und erkannt wird. Und wie auch immer sich diese Angst zeigen mag. In der Menschenführung gibt es nichts Schwierigeres, Gefährlicheres, Herausfordernderes und Umfassenderes als die grundlegende Veränderung einer etablierten Einstellung. Z.B. bei der Einführung einer agilen Haltung: Aus einer Aufbauorganisation eine auf den Kundennutzen fokussierte Ablauforganisation entwickeln.
Um eine neue Einstellung zu etablieren, gibt es zwei Wege:
1. Durch unreflektiertes, unkritisches Tun (= peripher): „Weil es funktioniert, mache ich es.”
Folge: Funktioniert etwas nicht mehr wie bisher, suchen wir nach Alternativen.
2. Durch reflektiertes, kritisches Tun (= zentriert): „Will ich das tun, weil es Ausdruck meiner eigenen Werte ist?”
Folge: Auch bei Schwierigkeiten halten wir eher durch. Wir verändern diese Einstellung nicht so schnell und unser Verhalten selbst ist konsistenter.
Das Thema erschließen wir uns anhand dieser Ebenen:
1. Ebene der Ängste
2. Ebene der eigenen Bewusstheit
3. Ebene der Gefühle
4. Ebene der Funktion
5. Ebene der Radikalität
1. Ebene der Ängste
Ängste sind Widerstände jeglicher Art und drücken sich z.B. aus durch:
- Vorschützen ohnehin schon viel zu viel zu tun zu haben
- Aufzeigen von Überlastung
- Verweigerung (krank Feiern?)
- Anführen von Scheinargumenten als unumschiffbare Klippen
- Kritik an jeder Kleinigkeit
- Reagieren statt Agieren
- Überbewerten von Nebensächlichkeiten
- Ausmahlen von Schreckensszenarien
- Schuldzuweisungen
- Beharren auf Schuldlosigkeit
- Beharren auf Erreichtem, Status, Privilegien
- Ausgrenzen von (neuen) Kollegen
- usw.
Der wichtigste Schritt: Ängste entkräften
Bevor wir uns Gedanken machen, wie wir eine neue Einstellung umsetzen, müssen wir uns permanent im Bewusstsein halten, Ängste zu entkräften. Die Initiatoren einer neuen Einstellung haben im Unbewussten bereits den Schritt der Angstbewältigung für sich getan. Oft sind sie nach einer längeren Beobachtungs- und Reflexionsphase von Markt, Branche, Kunden und der etablierten Einstellung im Unternehmen/Organisation (im Folgenden U/O) bzw. Team überzeugt, ein Wandel der Einstellung ist notwendig. In ihnen ist die Gewissheit gereift, dass nur mit einer neuen Haltung die Zukunft gemeistert werden kann.
Dazu ist es unabdingbar, dass die Gewissheit der partizipativen/psychologischen Sicherheit herrscht: „Wir dürfen Fehler machen bzw. anderer Meinung sein, ohne dass uns das den Kopf kostet.“
Ängste verstehen
Ängste vor Veränderungen können wir gut verstehen. Gerade, wenn bisher die Erfahrung gemacht wurde, dass jede Änderung zusätzlich Aufgaben mit sich brachte und gleichzeitig keine spürbare Entlastung. Hier findest Du mehr zur Angst-Bewältigung.
2. Ebene der eigenen Bewusstheit
Bewusstheit
Je bewusster wir etwas tun, desto bewusster tun wir es. Klingt doof. Ist trotzdem so. Wenn die Chef-Riege einstimmig sagt: „Ja, wir brauchen diese neue Haltung, weil … und wir werden nicht ruhen, bis sie beweisbar überall vorhanden ist.” ! UND: Die Chef-Riege lebt es auch genau so vor und fordert es ein! Dann entwickelt das nach einer gewissen Zeit sehr sehr viel Kraft und Durchgängigkeit.
Bewusstheit ist überhaupt der Schlüssel um jegliche Änderung überhaupt möglich zu machen. Larifari ändert gar nichts. Es unterminiert lediglich das letzte Quäntchen an Selbstwert und damit Selbstwirksamkeitserwartung. Da gehen dann schnell die eigentlich Richtigen zur Konkurrenz und lediglich die Nestbeschmutzer bleiben zurück.
Eigene klare Einstellung
Bevor wir irgend jemanden zu einer veränderten Einstellung oder Haltung bewegen können, müssen wir für uns selbst Klarheit in dieser Einstellung schaffen. Ohne selbst überzeugt zu sein, werden wir andere nicht überzeugen können. Selbstannahme, Selbstliebe, die Erkenntnis nicht perfekt zu sein, Fehler gemacht zu haben und zukünftig Fehler zu machen, uns selbst in Bereichen als unbeweglich, unbelehrbar, veränderungsresistent, naiv, verwirrt, ängstlich usw. zu erkennen. Nur dann haben wir auch die emotionale Intelligenz, mit den Ressentiments konstruktiv umzugehen.
Was tut Selbstannahmen zur Sache?
Im Prozess der Einstellungs-Änderung wird es Rückschläge, Sackgassen und Umwege geben. Wenn wir da nicht mit uns selbst im Reinen sind, geben wir vorzeitig auf. Wohlgemerkt ohne bei uns selbst die Ursache für das Versagen zu suchen, sondern den Umständen die Schuld in die Schuhe zu schieben. Jegliche Veränderungen in der Einstellung werden dann auch in Zukunft unmöglich.
Dankbarkeit
Sich bewusst sein, eine tragende Rolle im beginnenden Prozess der als zukunftsfähiger erkannten Einstellung zu spielen. Allein die innere Überzeugung erlangt zu haben, mit dem aktuell stattfindenden Veränderungsprozess keine Bürde zu tragen, sondern dankbar zu sein, gestaltend wirken zu können, ist in meinen Augen der Schlüssel für alle folgenden Schritte.
Disziplin
Alle Dinge entspannt sein lassen, die nicht zu unserem Weg, unserer neuen Einstellung, passen. Mit Disziplin ist hier nicht gemeint, eisern an Dogmen festzuhalten, komme was da wolle. Sondern mit Selbst-Verständlichkeit nur zu tun, was der zielführenden Haltung zuträglich ist. Mehr zur Disziplin in diesen drei Beiträgen: Beitrag 1, Beitrag 2, Beitrag 3
Inkongruenzen und Erwartungen blockieren Änderung der Einstellung
Ohne es zu merken blockieren wir gerne eine Änderung der Einstellung durch unser eigenes Verhalten. Wenn wir nämlich im Grunde sehr exakte Vorstellungen haben, wie etwas zu geschehen hat. Doch vorgeben, der Weg zum Ziel sei uns egal. Allein Ergebnisse zählen.
Dies ist genau das Gegenteil von Agilität. In der Agilität wollen wir ja gerade, dass unsere Vorstellung von der Art und Weise eines Tuns weniger berücksichtigt werden als die, welche Kunden und Markt erfordern.
3. Ebene der Gefühle
Konsistenz: „Mit Gefühl, bitte!”
Eine (neue) Haltung empfinden wir umso stimmiger, je breiter das Gefühlsspektrum ist, in dem sie erlebt werden kann.
Beispiel: „Wir begegnen allen Kunden, Partnern, Mitarbeitenden, Bewerbern, Scheidenden und Ehemaligen auf Augenhöhe.”
Das wollen wir „in guten wie in schlechten Zeiten” geprüft haben. Erst wenn Lagen von „himmelhoch jauchzend bis zu Tode betrübt” mit dieser Haltung sinnvoll und stimmig gemeistert werden können, glauben wir auch, dass sie ernst gemeint ist und funktioniert. Erst dann sind wir bereit, sie anzunehmen und auch zu leben.
„Je konsistenter eine neue Einstellung erlebt wird, desto mehr Ängste wurden mit ihr entkräftet.“
Freilich, kann jede Haltung aufoktroyiert werden und Ergebnisse zeigen. Doch dann ist sie nur eine peripher gespielte Rolle. Wie gut, wie glaubwürdig, wird diese Haltung in schwierigen Situationen ankommen? Wie viel Druck und damit Angst muss erzeugt werden, damit die neue Haltung „klappt”? Oder bewirkt diese als nur vordergründig entlarvte Haltung nicht genau das Gegenteil?
Gerade Inkubatoren (siehe dort) müssen die Chance haben, eine Einstellung für sich genau zu prüfen, um sie glaubwürdig und krisenfest zu transportieren.
Relevanz
Wir nehmen gerne – mehr oder weniger unreflektiert – neue Einstellungen an, wenn wir das Gefühl haben, mit ihrer Hilfe kommen wir unseren innigsten Lebenswünschen näher (mehr oder weniger bewusste Motive). Wir haben das Gefühl der Selbstverwirklichung. Die Haltung, in die wir hinein zu wachsen beginnen, gibt uns Inhalt und Sinn. Vielleicht verspüren wir sogar das Gefühl eine wichtige Mission zu erfüllen.
Heiligkeit, Erhabenheit, Würde, Mystik, Wert-volle Rituale
Gewisse Menschen haben das gewisse Etwas: Ausstrahlung, Charisma, Authentizität, Souveränität usw. Wie ginge es Dir, wenn Du einen dieser Menschen, die Du gerade vor Deinem inneren Auge hast, umfassend analysieren würdest? Je mehr Du weißt, wieso jemand ist und tut, wie er tut, desto mehr verblasst seine/ihre Wirkung auf Dich.
Ich denke, im Grunde wollen wir gar nicht wissen, wieso jemand eben diese faszinierende Ausstrahlung hat oder nicht. Wir wollen die Anwesenheit dieses Menschen häufig genießen und uns inspirieren lassen. Vielleicht wollen wir auch so eine Ausstrahlung haben. Doch wissen wir, Nachäffen bewirkt genau das Gegenteil echter Ausstrahlung. Weil nur, wer „er/sie selbst” ist, kann zu dieser faszinierenden aus-strahlenden Haltung gelangen.
Drum sollte jemand, der eine bestimmte Einstellung oder Haltung kult-ivieren will, dies in Teilen einfach tun. Punktum. Einfach SEIN. Auf den Schein nicht spekulieren. Der stellt sich ohnehin ein, wenn das SEIN echt, pur, intuitiv, aus sich selbst heraus gelebt wird.
Bei den Themen persönlicher Wirkung erzeugt gerade das zu starke Nachdenken genau das Gegenteil. Denn eine mit unserer mageren bewussten Denkkapazität konstruierte Wirklichkeit kann niemals so stimmig sein, wie die aus unseren tiefsten Tiefen verkörperte.
Gehen wir an die Umsetzung der neuen Haltung mit echter Dankbarkeit, so wird uns Würde und die Aura Wert-volles zu tun umgeben.
Achtung! Einstellungen bzw. Haltungen lassen sich wunderbar zerreden.
Es ist wertvoll zu reflektieren, seine Schlüsse zu ziehen und dementsprechend zu handeln. Die Gefahr besteht, in der wohligen Schutz-Atmosphäre der Reflexion zu verhaften. Denn wer noch reflektiert, ist ja offensichtlich noch nicht zu entschiedenem Handeln bereit. Eine Schon- bis Vermeidungshaltung, die ich in Coachings immer wieder erlebe.
Auch eine Überanalyse, wieso uns welche Einstellung bisher zu welchen Erfolgen gebracht hat, kann sich negativ für uns auswirken. Kennen wir genau unsere Wirkhebel, lassen wir nicht mehr unser intuitives Handeln ran: Unsere Leistung, unser Erfolg nimmt ab. Wir verkopfen also und lassen nur noch die – im Vergleich zur unbewussten Leistungsfähigkeit unseres Gehirns – geringe bewusste Gehirnleistung arbeiten.
Soziale Aufwertung
Die Kreise, in welchen wir uns aufhalten, bestimmen unseren sozialen Status. Auch wenn das in unserer Wahrnehmung vielleicht ohne Belang ist. Entsprechend unserem sozialen Status werden wir von anderen eingeordnet und so mit mehr oder weniger Respekt oder gar Verachtung behandelt.
Wir wollen dazu gehören. Wir wollen uns im Kreise anderer wohl fühlen. Sich ein Umfeld zu suchen, das Wohlbefinden, Zugehörigkeit und einen befriedigenden sozialen Status bietet, ist einfach nur normal.
Bietet uns ein Umfeld Identität und genauer Berufsidentität (siehe die Beiträge Teil 1 und Teil 2 dazu) WOLLEN wir dazu gehören. Wir wollen tun, was die Gruppe tut. Wir wollen „auch so sein”. Sind wir in einem menschlich wertvollen Umfeld, empfinden wir keinen Gruppendruck. Es ist mehr ein Gruppen-Sog. Die Gruppe mit seinen Werten, Normen und seinem Selbstverständnis saugt uns in sich auf, wir genießen das und fühlen uns angekommen.
Sicherheit und Vertrauen
Hasardeure lassen sich auf Umfelder ein, die weder Vertrauen noch Sicherheit bieten. Eine hoch riskante Atmosphäre, die auch von Hasardeuren nur mit der Aussicht auf besonderen Erfolg riskiert wird. Oder es liegen Formen des Sensation-Seeking oder gar der Selbstsabotage vor. Doch die Meisten wollen in einem Umfeld leben, in welchen ihnen Vertrauen entgegen gebracht wird und das Sicherheit (in welcher Form auch immer) bietet.
Sollen mit einer neuen Einstellung neue, unbekannte, ja sogar riskante Wege beschritten werden, wird´s eng mit einer entspannt vertrauensvollen und Sicherheit ausstrahlenden Atmosphäre. Da geht´s bei den Führungskräften ans Eingemachte. Da trennt sich die Spreu vom Weizen.
Meine Erfahrung ist: Lebt die Führung konsequent Vertrauen vor und befriedigt sein eigenes Bedürfnis nach Sicherheit auf eine Weise, die nicht die Geführten beansprucht, gelingt das Aus-strahlen von Sicherheit auch in schwierigen Zeiten.
Was bedeutet, dass Menschen an Bord bleiben und Gas geben, obwohl sie niemals wissen können, ob die Chose für sie letztlich vorteilhaft oder nachteilig ausgeht.
Neu, ungewohnt, herausfordernd: Wir verlassen die Komfortzone
Der Chef vor versammelter Mannschaft: „Ja, es ist nicht einfach. Mir selbst geht es so. Doch wir wachsen daran, wir lernen und wir befähigen uns mit Wichtigem.”
Heuern wir bei einem U/O an, können wir davon ausgehen, dass ein eher größerer Teil unserer Werte mit den Werten des U/O übereinstimmt. Aus Sicht des U/O verhält es sich identisch: Wer an Bord genommen wird, passt offensichtlich grundsätzlich zu uns, sonst würden wir seinen Vertrag ja nicht unterzeichnen.
So weit so praktisch. Jetzt wird´s spannender: Ein Teil unserer Werte stimmt nicht mit denen des U/O überein. Das muss so sein, sonst wären wir ein Klon. Wer, trotz Reflexion, mit allen Werten und deren Ausprägung im U/O restlos einverstanden, bei dem hat entweder eine Gehirnwäsche gut funktioniert oder er hat sich selbst aufgegeben. Beides ist für U/O und Mensch problematisch.
Dieser Werteteil, den wir nicht mit unserem U/O teilen macht uns Arbeit: Haltungs-Arbeit. Wir wollen (siehe Soziale Aufwertung) dazu gehören. Deshalb nehmen wir aktiv neue Einstellungen an. Das fällt uns nicht immer leicht, doch wir können daran wachsen indem wir unser Einstellungs-Set erweitern und prüfen können, was wir dauerhaft für uns übernehmen oder eben nur während der Arbeits-Episode beim besagten U/O einsetzen.
Wird nun im U/O eine neue Richtung eingeschlagen, wie z.B. Agilität, beginnt uns die dazu notwendige Einstellung Arbeit zu machen. Dem einen mehr, dem anderen weniger. Je nachdem welche Werte und Einstellungen mit der neuen Einstellung getroffen werden. Eine neue Einstellung im U/O ist immer ein Verlassen der Komfortzone. Das ist aufwändig, unangenehm, das macht Angst. Vor allem, wenn der Sinn nicht adäquat vermittelt wird.
4. Ebene der Funktion
Dauer
Gehe davon aus, dass es deutlich länger dauert bis eine neue Einstellung sattelfest etabliert ist, als Du denkst. Erst wenn wiederholt an jedem beliebigen Mitarbeitenden die neue Einstellung beobachtet werden kann, ist sie vorhanden. Und dann darf trotzdem nicht davon abgewichen werden, sie gebetsmühlenartig vorzuleben und einzufordern.
Eine Änderung der Einstellung ist kein endliches Projekt. Meist braucht es wiederum eine neue Haltung, noch bevor die erste Haltungsänderung ganz vollzogen ist. Deshalb bietet es sich an, bereits die angestrebte neu Einstellung so zu gestalten, dass sie die permanente Wandlung in sich trägt
Häufigkeit
Was oft thematisiert wird, ist – anscheinend – wichtig.
Wer eine Haltung/ Einstellung transportieren will, muss dessen Ausprägungen in allen möglichen Situationen benennen: „Weil wir immer mit allen Augenhöhe haben, konnten unseren Expertenteams das Qualitätsproblem in der letzten Produktversion schnell und konstruktiv mit Kunden und Lieferanten lösen. Die neue Version ist dadurch bahnbrechend geworden.” Haltungs-Träger (Inkubatoren) müssen die Ausprägungen der neuen Einstellung oft ansprechen. Sie hören dabei sich selbst zu und werden schärfer und klarer in ihren Formulierungen. Sie prüfen laufend, was sie sagen.
Dabei verhält es sich genau so, wie mit dem häufigen Kontakt zu anderen: Wem wir oft begegnen, den mögen wir meist mehr als Menschen, denen wir nur selten begegnen. Genauso wie das, was ich oft tue, tue ich (anscheinend) gern. So programmieren wir unser Gehirn über das Mittel Disziplin. Irgendwann lernt es sogar Freude an unbequemen Aufgaben zu empfinden. Wobei wir die Grenze zur Selbstausbeutung wahren sollten: Wir folgen unseren wahren Motiven und unterwerfen uns nicht rein logischen Argumenten. Auf diesen Aspekt gehe ich in den drei Beiträgen zur Disziplin, sowie in diesem Interview näher ein.
Vehemenz: Achtung Lücke!
Vermitteln wir eigene Vorstellungen/ Einstellungen/ Haltungen an andere, nehmen diese sie überwiegend verzögert, vermindert und nicht so dauerhaft auf, wie wir das bei uns selbst feststellen oder meinen, andere nehmen sie auf. Das ist die permanente Lücke, die es in der Kommunikation zu beachten gilt.
Hinzu kommt, dass negative Botschaften viel dramatischer wahrgenommen werden, als sie es in ihrer faktischen Betrachtung tatsächlich sind. Das ist eine Schutzfunktion, die uns vor Gefahren schützen soll. Genau umgekehrt verhält es sich mit positiven Botschaften: sie werden nicht so euphorisch aufgenommen, wie wir sie gerne wahrgenommen hätten. Das ist ebenfalls eine Schutzfunktion, die uns nicht auf jedes Pferd springen, sondern die Lage ruhig und überlegt betrachten lässt.
Achtung Dogma!
Eine Einstellung bewusst zu leben und sie aktiv zu vermitteln, sollte uns nicht ins Dogmatische abdriften lassen. Dogma ist immer engstirnig, polarisierend, wertend, veränderungsresistent, radikal. Und genau deshalb nur vorübergehend gültig.
Inkubatoren mit Sendungsbewusstsein
Eigentlich immer gibt es in jedem U/O oder Team einen „harten Kern”: Menschen, die aus großer Überzeugung, gerne mit großer Leidensbereitschaft über etliche Jahre die tragenden Säulen der U/O- bzw. Team-Kultur sind. Genau diese werden meist auch in Zukunft diejenigen sein, die Veränderungen maßgeblich kreieren und/oder mittragen. Wer sich dazu bereit erklärt, ist häufig auch motiviert, mit Sendungsbewusstsein neue Einstellungen und Haltungen zu vermitteln.
Dabei nicht zu vergessen, Junge/ Neue, die gerne bereit sind für „mehr”. Die sich schon früh vorstellen können, relativ länger und intensiver mitzuwirken. Die für Ideelles Verantwortung (mit)tragen und dies auch gerne aktiv an andere weitergeben.
Darauf zu hoffen, dass das essenzielle Sendungsbewusstsein von allein eintritt, würde ich nicht riskieren. Besser ist es, es bei Schlüsselpersonen aktiv ins Bewusstsein zu rufen, für dieses bewusst die Erlaubnis zu geben und die Brisanz für dessen Notwendigkeit zu schüren.
Achtung! Inkubatoren nicht überlasten!
(Ja, sorry, schon wieder ein „Achtung!”) Auch wenn die Inkubatoren oft über etliche Jahre eine erstaunliche Leidensbereitschaft gezeigt haben, kann irgendwann – abrupt – Schluss damit sein. Gerade sie brauchen Wertschätzung, Anerkennung, Unterstützung, Schutz und Freiräume für ihr Tun.
Verluste und Gewinne
Egal, was in einer U/O-Kultur verändert wird, es wird zu (nicht vorhersehbaren) Verlusten und (nicht vorhersehbaren) Gewinnen kommen. Gerade, wenn eine neue Haltung etabliert wird, kommt es gerne zu Überraschungen: Abgänge von Mitarbeitenden von denen man es niemals erwartet hätte, Bewerbungen von sehnlichst erwarteten Kandidaten, Ähnliches bei Kunden, Lieferanten und Geschäftspartnern.
Das verwundet nicht, wenn wir bedenken, dass jegliche Änderung der Einstellung eine Kulturänderung ist und die damit systemisch (auf das System) wirkt. Wer nicht mehr zum System passt, geht. Wer das System attraktiv findet, kommt.
„Hin zu”, „Weg von” und Wegputzen
Ziele oder Vorhaben zu benennen fällt nicht jedem leicht. Genauer gesagt, den Wenigsten. Leichter fällt es den Meisten zu sagen, was sie nicht wollen. Es wird also schlau sein, neben Zielen, Plänen und Zukunftszenarien auch klar aufzuzeigen, was dann nicht mehr sein wird. Dies dient auch der Angstbewältigung.
Ähnlich verhält es sich mit dem Formulieren von Zielen. Nicht immer ist es sinnvoll oder gar möglich, exakt definierte Ziele zu beschreiben. Geschweige denn, sich auf gerader Linie ihnen zu nähern. Doch immer ist es möglich, attraktive Zielbereiche ausfindig zu machen á la „Dein Ziel ist kein Punkt, sondern ein ganz bestimmter Ausschnitt des Horizonts.”
„Wegputzen” nenne ich das. Wir putzen alles weg, was nicht in unseren Zielbereich passt. Automatisch bleibt übrig, was attraktiv ist. Mit diesem Zielbereich lassen sich auch leichter verschieden „gestrickte” Menschen abholen: Da ist für jeden immer etwas Relevantes dabei. Es geht gar nicht anders.
Selbstverständnis
Die Einstellung speist sich aus dem Selbstverständnis, welches wiederum die griffige Handlungslandschaft der Vision ist. Das Selbstverständnis zu formulieren, ist essenzieller Teil für die Bewusstwerdung der tatsächlich angestrebten Einstellung. Es ist der Prüfstein, ob die gewünschte Haltung überhaupt zur mit den Werten übereinstimmt und konsistent gelebt werden kann:
„Was versteht sich bei uns von selbst?”
„Was ist für uns selbstverständlich?”
5. Ebene der Radikalität: Änderungen sind sofort, für alle Zeit, möglich
Selbst fest etablierte Einstellungen können von einem Augenblick auf den anderen dauerhaft geändert werden.
Starkes Beispiel eines Alkoholikers:
Ein ehemaliger Schulkamerad begann seine Bier-und Saufkarriere schon früh. Er verbrachte sehr viel Zeit bei Kartenspiel und Trinken am Stammtisch. „Mehrere Halbe” trank er täglich. Jahre später begegneten wir uns zufällig auf der Straße. Irgendwann sagte er: „Du, das glaubst Du mir nicht: Vor ungefähr einem Jahr saß ich wie immer beim Wirt und bestellte mir die dritte Halbe. Ich setzte zum ersten Schluck an und plötzlich hat es mir nicht mehr geschmeckt. Regelrecht gegraust hat es mir. Ich habe das Bier nicht getrunken und bin gegangen. Seitdem habe ich keinen Tropfen Alkohol mehr angerührt.”
Wie sollte das möglich sein, wenn nicht durch eine tiefgreifende Einstellungs-Änderung? Zum Zeitpunkt seiner abrupten Abstinenz wird eine körperliche Abhängigkeit mit Entzugserscheinungen vorgelegen haben. Irgendetwas hat wohl schon einige Zeit tief in ihm gebrodelt. Vordergründig erkannte er vielleicht, welche Nachteile ihm die Sauferei schon eingebracht hat, wie z.B. die gescheiterte Ehe und der Rosenkrieg um die Kinder. Irgendwie erreichte er – zunächst unbewusst – eine Abneigung gegen Alkohol, die so vollständig war, dass er sogar Ekel empfand. Sein Körper drückte aus, was seine Seele empfand. Seine Geschmacksknospen sprachen für ihn und zu ihm: „Das ist nicht gut für Dich, lass es.”
„Das passt nicht (mehr) zu mir.” „Das bin ich nicht (mehr).”
Können wir das zu Verhaltensweisen sagen, ist es, als ob „der Groschen” fällt. Plötzlich ist uns Verhalten nur mit großem Wiederwillen möglich, was für uns gestern noch selbstverständlich war.
Achtung! Diese Aussagen sind keine Programmierungen (Affirmationen), die wir uns nur oft und lange genug vorbeten müssen, damit wir sie irgendwann ohne zu denken einfach tun. Diese Aussagen sind die Ergebnisse eines tiefen inneren Prozesses. Durch seine Tiefe erkennen wir den Prozess in weiten Teilen gar nicht. Wir wissen nicht, wann er angefangen hat. Irgend ein Auslöser kann reichen, damit dieser tiefe innere Prozess in unser volles Bewusstsein trifft und wir zu einer Erkenntnis gelangen, die einen Status quo beschreibt: „Das bin ich nicht (mehr).”
Gerne bin ich bei der Entwicklung einer zeit- und zukunftsgemäßen Einstellung/Haltung in U/O bzw. Team behilflich.
Gute Zeit & Beste Grüße!
Jörg Romstötter
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Meine Hilfestellungen zur Selbstführung und damit zur Führung anderer, erscheinen nicht immer leicht in ihrer Umsetzung. Wobei sie sich gerne offenkundig plausibel, „einfach” und eingängig lesen. Diese Vorgehensweisen werden in ihrer Umsetzung sowohl als äußerst einfach und äußerst schwierig empfunden. Je nachdem, welche Qualität innere „Arbeit” jemand schon mit sich angestellt hat. Selbstführung beginnt mit der Selbst-Begegnung. Ohne sie ist jede erlernte Vorgehensweise lediglich vordergründiges Tun und funktioniert nur rudimentär: Wir werden als „Tool-Anwender” entlarvt.
Selbst-Begegnung ist ein Stufenprozess: Wer eine „Stufe” erreicht hat, sieht sich unmittelbar mit der nächsten konfrontiert. Wer keine „Stufen” erkennt, ist nicht etwas schon „angekommen” oder gar „fertig”. Der sieht lediglich (unbewusst) von der nächsten Stufe weg. Was natürlich auch völlig ok ist.
Eine der wirksamsten Möglichkeiten zur Selbst-Begegnung und gleichzeitig zur Selbstführung ist seit jeher die Natur. Und dabei im Besonderen das Alleinsein draußen. Sich selbst ein wenig zuhören inmitten der weitenden, klärenden, stärkenden und erdenden Natur, ist ein ganz besonderes Geschenk. Ich wünsche Dir und mir den Mut, dass wir uns dieses Geschenk immer wieder machen.