Den Nachfolgeprozess optimal gestalten. Teil 2: Das Unternehmen und seine Bedürfnisse

Inhalt:
Teil 1: Die Menschen und ihre Bedürfnisse
a) Der Übergebende
b) Der Übernehmende
c) Codex für den Übergabeprozess
d) Beispiel einer misslungenen Übergabe

Teil 2: Das Unternehmen und seine Bedürfnisse
a) Das Unternehmen
b) Konfliktvorbeugung

 

a) Das Unternehmen

Das Unternehmen ist die sozio-ökonomische Lebensquelle des Unternehmers/ der Unternehmerin und der Unternehmerfamilie. Geht es dem Unternehmen gut, geht es dem/der Unternehmer:in und der Unternehmerfamilie gut. Der Übergabeprozess bestimmt sich in erster Linie nach den realistischen und belegten Bedürfnissen des Unternehmens:

  • Ist mit den geplanten Personen eine fruchtbare und nachhaltige Entwicklung des Unternehmens zu erwarten?
  • Weshalb soll das Unternehmen genau an diese Person/en übergeben werden?
  • Eignen diese sich so außergewöhnlich gut dazu?
  • Gibt es nicht noch bessere Optionen?
  • Wieso werden diese nicht gewählt?
  • Welche Defizite bringen diese Personen mit?
  • Welche Defizite entstehen durch diese Person/en?
  • Wie können diese Defizite eliminiert werden?
  • Usw.

Selbstkonstanz des Unternehmens

Das Unternehmen kann als Organismus aufgefasst werden, der nach Selbsterhaltung, Selbstentwicklung und Erfüllung strebt. Unabhängig von aktuellen Ereignissen und Schwierigkeiten. Eine Übergabe an Nachfolgende in der Unternehmensleitung hat diese Selbstauffassung des Unternehmens mindestens fortzuführen, besser, qualitativ zu entwickeln.

Strategisch wertvolle und saubere Übergabe

Der Übergabeprozess muss für das Unternehmen strategisch sinnvoll und Nutzen bringend gestaltet werden. Strategisch sinnvoll bedeutet:

  • Bereits in der Übergabe zeichnen sich neue Chancen, Vorteile, (Synergie-)Effekte ab und bekannte Hemmnisse/Nachteile mildern sich oder verschwinden.
  • Es geht ein positiver „Ruck“ durchs Unternehmen. Die Motivation für die Zukunft steigt bei allen Beteiligten.
  • Nach der Übergabe sind die Bedingungen für das Unternehmen mindestens bestätigt, besser jedoch gestärkt, im Idealfall weitaus besser.
  • Die Art und Weise wie die Übergabe stattfindet kann für alle im Unternehmen Tätige und alle Geschäftspartner, Kunden und Lieferanten eine Bestätigung von Werten, Integrität, Leistungsqualität, also dem Grad der Professionalität sein. Oder, im schlechtesten Fall, alles bisher gewesene relativieren und in ein getrübtes Licht stellen.
  • Die Leistung des/r Übergebenden findet aufrichtige und umfassende Würdigung. Allen ist bewusst: Hätte es dieses Engagement nicht so gegeben, wären die jetzt geplanten und schon eingeleiteten Schritte nicht möglich. Damit wird ein Beispiel gegeben für die Wertschätzung von Leistung im und für das Unternehmen. Für jeden wird offensichtlich: „Engagiere ich mich, bringt mir das letztlich immer etwas.“

 

b) Konflikte

Konflikte können das Unternehmen bis zum Stillstand blockieren

Konflikte sind normal und wichtig. Sie ermöglichen uns optimale Entwicklungen voran zu treiben. Voraussetzungen sind die Konfliktfähigkeit und Selbstreflexionskompetenz aller Beteiligter. In Unternehmerfamilien besteht ein erhebliches Konfliktpotenzial, da die private Familie mit der erwerbenden Familie sowie der besitzenden Familie in Personalunion steht. Das kann bis zum Stillstand führen: Entscheidungen werden unmöglich, die wirtschaftliche Leistung bricht rapide ein… Besonders wirksam lassen sich Konflikte vorbeugen, wenn wir dem anderen zu jedem Zeitpunkt gute Absichten unterstellen. Gerade dann wenn „unnötige/dumme Fehler“ passieren oder etwas getan wird „das nicht mit gesundem Menschenverstand“ möglich ist. Tun wir das, hält uns das im lösungsorientierten und kreativen „Lösungs-Flow“. Beginnen wir in Verhalten Dummes, Krankes oder gar Böses hinein zu interpretieren, bewegen wir uns zielsicher auf einen sehr mächtigen „Problem-Sumpf“ zu. Denn unser Gegenüber denkt genauso über uns.

Unfruchtbare Konflikte, die Entscheidungen, Entwicklung und Veränderung auch nur im geringsten verzögern oder in ihrer Qualität reduzieren, kann sich kein Unternehmen leisten. Es ist sehr bedeutsam, Konflikte professionell und damit sachlich und konsequent zu lösen. Gelingt das nicht, entstehen destruktive Muster, die sich fortsetzen und nur sehr schwierig und aufwändig zu konstruktiven Mustern verändert werden können. Denn bei Gefahr (Angst) fallen wir unbewusst in überholte, destruktive Muster zurück.

Klarheit schafft Harmonie: Jeder emotionale Konflikt hat sachliche Konflikte zur Folge

Sachliche Konflikte lassen sich immer lösen. Lassen sich sachliche Konflikte nicht lösen, haben sie einen emotionale Konflikt zum Grunde. Geraten wir emotional aneinander, lassen Sachkonflikte nicht lange auf sich warten. Den schwelende, nicht lösbare Sachkonflikt identifizieren wir als Symptom. Die Ursache für ihn ist ein nicht bewältigter Konflikt auf der Gefühlsebene: Jemand fühlt sich mißverstanden, nicht gesehen, nicht für voll genommen, ausgeliefert, im Stich gelassen, bloßgestellt usw.

Dieses (gefühlte) Defizit drückt er vielgestaltig aus: sachliche Diskussionen, Kompromisse oder Lösungen sind unmöglich. Vereinbarungen gelingen nicht oder werden nicht eingehalten, immer wieder die gleichen Fehler, kaum Lernen, kaum reifen, kaum Reflexion(-sfähigkeit). Wobei wir da im Einzelnen genau hinsehen müssen, denn für alle diese genannten Schwierigkeiten liegen natürlich auch individuelle Möglichkeiten/Fähigkeiten zu Grunde.

Mehr dazu „Wer will ich sein?“, „Motive und Bedürfnisse“ und „Rolle Chef:in“.

Nicht wir haben den Konflikt, der Konflikt hat uns

Befinden wir uns hingegen bereits in einem Konflikt sind wir in diesem gefangen. Der Konflikt mit seiner Dynamik beginnt uns zu regieren. Gleichzeitig glauben wir, überlegt und voll handlungsfähig zu sein. Jedoch auch irgendwo gebunden und unfrei: Der andere provoziert unser Verhalten. Wir würden ja gerne anders handeln, doch der andere „zwingt“ uns. Wir müssen uns vor dem anderen schützen. Der Konflikt zieht seine Kreise wie ein Virus. Er steckt andere an. Da wir uns ja auch bei anderen aussprechen. Diese kennen nur unsere Sichtweise und Version. So entstehen Parteien und Fronten. In der Liebesfamilie, in der Erwerbsfamilie und in der Genussfamilie. Der Virus kann nur besiegt werden, wenn man gemeinsam gegen ihn vorgeht. Die Dynamiken eines Konfliktes werden uns deutlich, wenn wir uns fragen: „Was können wir tun, um den Konflikt zu verstärken?“ Da weiß jeder sofort was zu tun ist. Es ist einfach, denn jeder muss nur seine Unterstellungen und seine „logisch“ folgenden Handlungen bis zur Groteske verschärfen.

Rollenklarheit: die beste Vorbeugung von Konflikten

Wann bin ich Chef:in, wann Vater oder Mutter, wann Sohn oder Tochter? Und wie verhalte ich mich jeweils? Je klarer hier unterschieden wird und je klarer miteinander vereinbart wird, welche „Gesetze, Regeln und Normen“ dann jeweils gelten, umso besser lassen sich Konflikte vorbeugen. Dazu gehört die Verständigung klar zu machen, aus welcher Rolle gerade gesprochen wird: „Welchen Hut habe ich gerade auf?“

Auch wenn das im Alltag häufig verschwimmt: Themen des Unternehmens werden zu Hause besprochen und im Unternehmen kommt auch mal etwas aus der gemeinsamen Privatfamilie auf den Tisch. In der Regel kommen Unternehmerfamilien damit gut klar, sie sind es so gewohnt. Wachsen von klein auf mit diesem Dilemma, mit dieser Doppelbindung auf. Wenn wir genauer hinsehen ist das der Urzustand einer jeden Familie oder Sippe: man lebt und wirtschaftet miteinander. Das haben unsere Vorfahren über zig Jahrtausende als Jäger-Sammler-Hirten-Nomaden und später als Bauern, dann auch als Handwerks-, Händler-, usw.-Familien gemeistert. Einerseits die familiäre Fürsorge und emotionale (Ein-)Gebundenheit, andererseits Aktivitäten, Umsicht und Sorge für die gemeinsame Lebensgrundlage.

In der Eigentümerrolle, egal ob gerade aktive:r Unternehmer:in oder zukünftige Übernehmer:in, gibt es auch ein Vermögen das Aktivität, Umsicht und Sorge benötigt. Hier sind vielleicht die Rollen durch die Anteilsverteilung andere als im Nachfolgeprozess des Unternehmens.

Mehr Klarheit finden Übergeber:in und Übernehmer:in gemeinsame Bezeichnungen, die den Kern des jeweiligen Zwecks klar vor Augen halten, wie z.B.:
Die private Familie: Liebesfamilie
Die unternehmende Familie: Erwerbsfamilie
Die besitzende Familie: Genussfamilie

Konflikt-Check zur Konflikt-Prävention

Wie bereits in der strategischen Haltung oben beschrieben, lassen sich Entscheidungsgrundlagen mit emotionaler Distanz zielführender und nachhaltiger treffen. Im Bezug auf Konflikte bedeutet das, sich vor Augen zu führen welche Konflikte es wo und wann geben könnte. Für diese sind vorab gemeinsame Vorgehensweisen zu definieren:

  • Welche Konflikte könnte es bei uns geben?
  • Wo und wann werden diese vermutlich auftreten?
  • Woran erkennen wir sich anbahnende Konflikte jeweils?
  • Wie gehen wir jeweils mit einem Konflikt um? (Sachebene, Gefühlsebene, Beteiligte)
  • Wie gehen wir in dem jeweiligen Konflikt vor? (Moderation, Mediation)
  • Gibt es ausreichend starke institutionalisierte Mechanismen bzw. Regelungen in Verträgen, Ordnungen und Satzungen der Organe Geschäftsführung, Beirat, Aufsichtsrat und Gesellschafter, die das Unternehmen zu jedem Zeitpunkt handlungsfähig halten trotz Konflikt und großer emotionaler Spannungen?

Psychohygiene: Prophylaxe ist besser als Verarzten

Nur was ausgesprochen ist, lässt sich bearbeiten. Manches und Mancher braucht um ausgesprochen zu werden den passenden Rahmen, das richtige „Setting“:

  • Gibt es regelmäßige Treffen/ Gespräche/ „Waschtage“/ „Check-Tage“…, an welchen Austausch, Aussprache und Gemeinschaft gepflegt werden?
  • Gibt es regelmäßige Feste und Feiern bei welchen auch strikte Themen-Regeln gelten, wie z.B. „Es wird nicht über die Firma gesprochen, sollte doch jemand (im Schwips) ein Firmen-Thema einbringen, wird es charmant, doch bestimmt vertagt.“
  • Welche Regeln gelten z.B. bei Tisch? z.B. „Bei Tisch darf es um alles gehen, jedoch nicht über Firmenthemen. Außer nachdem alle gegessen haben und mit Firmenthemen einverstanden sind.“

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