Ohne Konsequenz keine Veränderung

Es wird analysiert und festgestellt, es wird nachgedacht und kreativ gebrainstormt, es werden Ideen geprüft und fein geschliffen, es wird vereinbart (hoffentlich!) und mit der Umsetzung begonnen (auch hoffentlich!). Doch dann verlaufen die Aktivitäten im Sande. Schleichend geht gar nichts mehr voran. Und bald schon weiß niemand mehr so recht, was eigentlich erreicht werden sollte. Sehr sehr schade. Doch sehr sehr häufig. Fast schon üblich. Veränderungen haben nur Erfolg, wenn die Umsetzung identisch akribisch und konsequent erfolgt wie das Aufspüren von Verbesserungspotenzialen oder Innovationsdefiziten.

Konsequenz folgt immer einer Logik

Echte, wirksame Konsequenz entsteht nicht einfach aus dem Nichts. Sie ist immer eine Ableitung aus höheren Werten (siehe unten) und klar formulierten Zielen. Demnach ist sie immer von Logik begleitet. Logik hilft aufeinander aufbauende Abfolgen zu gestalten. Diese Abfolgen folgen Zielen, sind prüfbar und können bei nötigen Anpassungen systematisch korrigiert werden. Logik ist also Voraussetzung um Konsequenzen wirksam werden zu lassen. Befindlichkeiten, unpassende Vorlieben oder überkommene Verhaltensmuster können so umgangen bzw. wertschätzend in neue, zielführende Verhaltensweisen gewandelt werden. Werden dann Erfolge erzielt, ist ein leichteres dauerhaftes Umlernen und Etablieren von neuen Erfolgsmustern möglich.

Ohne Logik keine Konsequenz.

Konsequenz unterstützt die Rolle: Führung wird vorhersehbar und erzeugt Vertrauen

Damit hilft echte Konsequenz die eigene berufliche Rolle professionell auszufüllen. Es gilt dann ein „Was brauchen wir hier?“ und kein „Ich will…!“. So ist die nötige Selbstdistanz zu seinen Aufgaben und der Rolle an sich gewährleistet, was strategisch kluge Entscheidungen weitaus möglicher macht, als mit unbewussten emotionalen Verstrickungen. Das Agieren aus der Rolle trägt nicht nur zum Gleichklang von Führung über alle Hierarchiestufen hinweg bei. Denn es wird nach Bedarf und zum Wohle der Gemeinschaft entschieden und nicht nach persönlichen Befindlichkeiten. Es ist auch Selbstschutz, da die Rolle nun einmal auszufüllen ist. Zweitrangig ist, welche Person die Rolle ausfüllt. Deshalb kann mit geringerer persönlicher Verstrickung entschieden und gehandelt werden: „Wäre ich heute krank, würde meine Vertretung ebenso entscheiden. Nicht, weil ich das so will, sondern weil alle Führungskräfte so entscheiden würden.“

Führung wird so vorhersehbar. Das erzeugt Vertrauen.

Konsequenz erzeugt Ruhe, Kraft und Vertrauen.

Echte, weil logische Konsequenz… 

…folgt der Integrität

Jede Gemeinschaft funktioniert dauerhaft nur mit gemeinsamen Zielen, Normen und Regeln. Diese können jedoch auf die unterschiedlichste Weise erreicht oder umgesetzt werden. Werte sind Anschauungen, wie wir unser Leben und damit das Miteinander gestalten wollen. Auch das gemeinsame Verständnis, wie welcher Wert zu verstehen ist und wie er gemeinsam lebendig gehalten wird, ist dabei auszuhandeln. Integrität ist das Handeln entsprechend dieser Werte. Unser Handeln richtet sich also an höheren Zuständen aus, die mit dem gemeinschaftlichen Schaffen und Wirken erreicht werden sollen. Damit erreicht Handeln immer ein Mindestmaß an Logik. In der Gemeinschaft entsteht ein WIR-Gefühl, weil alle zu jedem Zeitpunkt wahrnehmen: „Wir ziehen alle an einem Strang!“ Es ist ein Ausdruck von Konsequenz, wenn das Handeln nach den eigenen Werten täglich zur Richtschnur wird. Alle Handelnden können sich gegenseitig unterstützen, korrigieren und Orientierung geben. Konsequentes Handeln wird zum selbstverständlichen Verhaltensmuster.

…erzeugt Vertrauen

Wenn wir wissen, was wir erwarten können oder was auf uns zu kommt, können wir uns dafür rüsten, damit abfinden, uns darauf freuen oder eben auch das Weite suchen. Jedenfalls sind die Verhältnisse klar. Nur, wenn wir mit logischen Abfolgen rechnen können, lernen wir zu vertrauen. Verhalten wir vorhersehbar. Dies gepaart mit gemeinsam gelebten Werten erzeugt Vertrauen.

Unlogische Konsequenz

Fühlen sich Konsequenzen besonders anstrengend oder unbehaglich an? Erzeugt konsequentes Handeln emotionale Betroffenheit oder Widerstand oder ist das Vorgehen erkennbar anfechtbar? Dann erleben wir zwar Konsequenz, doch sie ist nicht direkt aus ursprünglichen Vereinbarungen abgeleitet. Vereinbarungen kommen nur zu Stande, wenn es zuvor entweder Konsens oder Entscheidungen gibt. Maßnahmen, die diese Vereinbarungen Wirklichkeit werden lassen sollen, müssen logisch sein. Sonst sind sie unsinnig und damit unnötig.

Fixierte Konsequenz

Wir machen auch eine Form der Konsequenz aus, die wir mit „fixiert“ beschreiben können. Es ist das verbissene, verbohrte, starrsinnige, engstirnige, rücksichtslose, harte und radikale Umsetzen von einmal Vereinbartem. Ohne Maß und Ziel wird durchgeboxt, was einmal entschieden wurde. Sinnvolle Anpassungen, die konsequent das zu erreichende Ziel im Fokus haben, werden nicht nur nicht vorgenommen. Sie können gar nicht gesehen werden.

Unlogische oder fixierte Konsequenz erzeugt Orientierungslosigkeit, Unsicherheit und Vertrauensverlust

Die Führung gibt die Qualität der Konsequenz vor

Alle im Unternehmen orientieren sich immer nach oben. Was dort vorgelebt wird gilt. „Der Fisch stinkt vom Kopfe“ oder „Wie der Herr so das G´scher“ sind uralte Beobachtungen. Sind Führungskräfte mit der Qualität der vorgelebten Konsequenz untereinander nicht einverstanden? Nun, dann gilt es hier konsequent zu sein und konsequent zu vereinbaren, wohin es geht und was demnach gilt.

Niemals der Härte willen hart sein!

Härte ist niemals konsequent und niemals sinnvoll, weil sie nicht logisch ist. Härte ist zerstörerisch. Oftmals, so beobachte ich, ist mit „Härte“ Konsequenz gemeint. Doch wird der Begriff „Härte“ gewählt, um die Klarheit einer Handlungsweise zu beschreiben.

Zur Verdeutlichung: Härte will hart sein, demnach Leid erzeugen. Erst wenn das Gegenüber offensichtlich leidet, beginnt Härte sich zu entfalten. Hat der Leidende einen belegbaren Nutzen von dieser Härte? 

Wenn JA, ist die Härte eine Form der Konsequenz. Sie endet, wenn der Nutzen erfüllt ist oder die Behandlung beginnt schädigend zu werden. Beispiel: ein Profi (-sportler, -musiker, -wissenschaftler, -fachmensch usw.) wird für einen Außenstehenden in bestimmten Situationen „unglaublich hart zu sich selbst sein“. Das ist ein Irrtum. Ein echter Profi weiß, wann in welcher Intensität er in die tiefe Leistung gehen muss, um sich zu verbessern oder bestimmte Erfolge zu erzielen. Der „Nicht-Profi“ weicht an diesen Punkten vor der Belastung aus und wird auch deshalb einen höheren Grad an Expertise nicht erreichen können.

Wenn NEIN, wird Härte nur ihrer selbst willen angewandt. Sie wird weiter angewendet, bis der Behandelte daran zerbricht oder der Behandler Genugtuung spürt. Ja, wir sprechen hier von einem Gefühl, denn der Behandler handelt nach Ideologien, vermuteten Befehlen und Stimmung. Das muss so sein, sonst gäbe es eine logische Anforderung wie die Behandlung zu erfolgen hat. Wobei wir wieder im oben genannten Bereich der Konsequenz wären. Ist die Behandlung so gestaltet, dass sie in jedem Fall den Behandelten schädigt, ist es Folter oder sogar Hinrichtung. Sie wäre dann auch konsequent, wenn es eben in einem Rechtssystem geschieht, das so mit Delinquenten verfahren will.

Härte erzeugt Haß.

Konsequenz fühlt sich durchaus hart an

Nur weil etwas logisch ist, ist es nicht zwangsläufig angenehm. Das wird gerne verwechselt. Um besondere Ziele zu erreichen ist Selbstregulation, Impulskontrolle, Frustrationstoleranz, Belohnungsaufschub, Selbstwirksamkeitserwartung usw. unabdingbar. In diesen Dingen braucht es ein gewisses Niveau und Routine. Diese Eigenschaften können gelernt und verbessert werden und bedürfen auch der Pflege. Sind wir darin jedoch routiniert, empfinden wir konsequentes Vorgehen nicht als Einschränkung oder gar Verlusterleben. Diese Empfindungen drehen sich vielmehr um. Es fühlt sich gut an, etwas jetzt gerade nicht zu tun oder zu bekommen. Denn wir wissen, wozu dieser „Verlust“ dient. Nämlich einem ungleich höheren Gewinn. Ja, wir nehmen dieses Tun sogar als Gradmesser und Orientierung für unsere Wegtreue.

Scheinharmonie entsteht durch Inkonsequenz, Harmonie durch Konsequenz

Harmonie entsteht nur durch Klarheit. Und Klarheit bedeutet die Dinge auszusprechen wie sie sind, zu seinen Ansichten und Bedürfnissen zu stehen, sein Handeln nach höheren Werten und Zielen auszurichten. Auf den Punkt gebracht: sich treu bleiben. Sich selbst als Person und als Gemeinschaft ebenfalls sich selbst. Das bedeutet Diskussion und Kampf um die beste Lösung. Das bedeutet andere echt anzunehmen und sie als Partner auf Augenhöhe zu begreifen. Harmonie ist niemals direkt erreichbar. Sie ist ein Ergebnis. Und sie ist niemals ein Dauerzustand. Harmonie, also das In-Einklang-Sein, ist immer wieder neu zu erreichen. Es ist ein aufeinander einlassen und seinen Platz finden. Wie in einem harmonischen Orchester: da gibt es klare Regeln und Rollen. Alle lassen sich auf ein gemeinsames Ziel ein und bemühen sich „in Harmonie“ zu kommen. Also in einen gemeinsamen Zustand zu gelangen der etwas erzeugt, das „wie aus einem Munde“ kommt: Harmonie. Und diese Harmonie ist bei jedem Musikstück, bei jeder Probe, jedem Auftritt immer wieder neu anzustreben und erfordert Arbeit von jedem Einzelnen.

Gutes Delegieren ist konsequentes Delegieren

Soll Delegieren sich nicht in Scheindelegieren verlieren oder in Rückdelegieren auflösen, sind attraktive, Prestige trächtige, ja adelnde Aufgaben zu übergeben. Dies nicht aus einer Not heraus, sondern aus dem konsequenten Verfolgen von strategischen Aufgaben. In den strategisch wichtigen Projekten und Kunden liegt die zukünftige Berechtigung am Markt. Diese haben weitreichende operative Aufgaben zur Folge, die unmittelbar an die geeigneten Fachkräfte delegiert werden. Strategische Arbeit ist mühsam, von Längen geprägt und zeitigt oft erst mittel- bis langfristig Erfolge oder Misserfolge. Das hält nicht jeder Führende ohne Weiteres aus. Es die notwendige Verwandlung von der Fachkraft zur Führungskraft, die in der strategischen Kunst ihre Vollendung findet. So schließt sich der Kreis aus konsequenter strategischer Arbeit der Führungskraft, delegieren der daraus folgenden operativen Aufgaben und dadurch erweiterter Möglichkeiten für den strategischen Fokus. Folglich ist. jede und jeder an seinem Platz, in seiner Rolle und bringt dort seine Leistung.

Daran erkennen wir konsequentes Handeln einer Führungskraft:

  • Es gibt eine klare Ausrichtung: diese wird konsequent verfolgt, sie ist jeder Person im Team wohl bekannt.
  • Jedem im Team ist die Funktion und Haltung der Rolle des Teams bekannt: „Wir wissen wofür wir Verantwortung übernommen haben.“
  • Jedem im Team ist seine Rolle in Funktion und Haltung bekannt: „Ich weiß, wofür ich Verantwortung übernommen habe.“
  • Destruktivität wird nicht toleriert, sondern konstruktiv verwandelt in: „Was willst du mit deinem Handeln erreichen? Ist dies ein geeigneter Weg um dort hin zu gelangen oder gibt es bessere Wege?“
  • Inkonsequentes Verhalten wird nicht toleriert.

 

Ist nicht Empathie ein Widerspruch zur Konsequenz?

Empathie ist die Voraussetzung für Konsequenz. Konsequenz bedeutet nicht Kadavergehorsam: Stumpf etwas umsetzen, das irgend jemand vorgegeben hat. Will ich heraus finden, was wirklich wesentlich ist für den gemeinsamen Fortschritt, ist Empathie schlicht die Grundhaltung die ich einnehmen muss, um an die Kerne des zukünftigen Erfolges zu gelangen:

  • Was „sehen“ meine Leute?
  • Woran „glauben“ meine Leute?
  • Was erkennen sie als wesentlich und unabdingbar aus ihrer individuellen Warte heraus?
  • Welche Erfahrungen haben sie gemacht?
  • Wovon sind sie überzeugt und weshalb?
  • Welche Erfolgsmuster haben sie?
  • Wo sehen sie sich selbst in Zukunft?
  • Was „juckt“ sie so richtig? Wieso genau?
  • Was wollen sie hinter sich bringen?
  • Worum kreisen sie wie die Katze um den heißen Brei?
  • usw.

Der erste Schritt, um mit einem Team, einer Gemeinschaft eine neue gemeinsame Stoßrichtung heraus zu finden oder eine bereits bestehende zu aktualisieren, ist Kreativität. Ist Freiraum für´s Denken. Ist innerer Dialog eines jeden Einzelnen. Ist wogendes aufeinander Eingehen und Einlassen. Ist Spinnerei – denn vom Unmöglichen kommen wir zum Möglichen. Der Wahnsinn ist auch nur einer von vielen Spiegel der Realität. Ist extrahieren des Wesentlichen, des alles Entscheidenden. Erst wenn wir das geschafft haben, macht es überhaupt erst Sinn, die nötigen Schritte der Umsetzung zu planen und dann konsequent an der Umsetzung zu arbeiten.

Konsequenz erzeugt einen geschützten Vertrauensraum sich einzulassen auf das was gilt. 

Und es gilt, was allen nützt.

Vergesst die Party nicht!

Belohnung muss sein! Eine Gemeinschaft profitiert auf vielfältige Weise, wenn sie miteinander feiert:

  • Die geplante Feier nach gemeinsam durchgestandener anspruchsvoller Zeit ist ein motivierender und bereits vorab belohnender Fixpunkt.
  • Schon immer haben Menschen nach vollbrachter Arbeit miteinander gefeiert: Gemeinsam Arbeit planen und durchführen. Sich dabei verausgaben und auch mal in die Haare bekommen. Den Ertrag miteinander stolz für die Zukunft sichern (einlagern). Und dann durchschnaufen und sich wieder miteinander vertragen.: „Puh! Geschafft! Samma wieder guat. “
  • Sehr wertvoll für unsere individuelle und kollektive Psychohygiene: das gemeinsame Ritual der Entspannung und des Rückblicks: „Was wir alles geschafft haben!“
  • In unserer Nonstop-Welt mit nur wenigen nennenswerten kollektiven Feier-Zeiten wie Weihnachten und Ostern, müssen wir aktiv „Stop – das müssen wir feiern!“ Sagen. Sonst geht es unter.

Wie erlernte Hilflosigkeit jede Veränderung in Unternehmen scheitern lässt

Wir kennen das alle und viele Führungskräfte rollen entnervt mit den Augen: Menschen, die immer wieder dasselbe fragen, die nie wissen, wo sie etwas finden können oder wo es hin gehört, die sich gefühlt nichts merken können… Ist es mangelnde Intelligenz, sind diese Menschen psychisch krank, gar böswillig oder einfach nur faul? Liegt es an diesen Menschen selbst oder gibt es auch Ursachen die im Verhalten von Führungskräften liegen?

Gewiss gibt es Menschen mit einer sehr gering ausgeprägten Auffassungsgabe. Genauso wie es Erkrankungen gibt, die sich auf die kognitive Leistungsfähigkeit auswirken. So, wie es auch belastende Situationen im Leben gibt, die uns unkonzentriert und fahrig werden lassen. Doch sollte es sich um diese Ursachen handeln, müsste es der Führungskraft bekannt sein.

Liegt es am Führungsverhalten?

Viele Führungskräfte beantworten Fragen sofort und wiederholt. Anstatt den Ball zurück zu spielen und das Gegenüber zu fragen, wie es denn angepackt werden könnte. Und auch dabei werden Führungskräfte manchmal nur Schulterzucken, leere Blicke oder ein sehr schnelles „Ich weiß nicht“ ernten. Es kann auch die Furcht vor Fehlern sein oder die Furcht zu gut, zu kompetent zu sein. Schließlich auch die Erfahrung: „Wer viel kann muss viel tun.“ Also halten sich manche mit ihrem Können und Wissen lieber bedeckt. Schließlich will man auch mal Feierabend und ein freies Wochenende haben und nicht ständig im Urlaub kontaktiert werden. Wenn es solche Erfahrungen gibt, sind Menschen – berechtigt! – sehr kreativ im Verstecken ihrer Talente und Kompetenzen. Noch dazu, wenn Personal knapp und schwierig zu finden ist.

Veränderungen sind Verhaltensänderungen. Diese funktionieren nur, wenn Menschen früh und verbindlich eingebunden werden. Wenn sie glasklar erkennen und erleben: „Wir tun das für uns.“

  • Wie will eine Führungskraft jemanden aktiv(er) einbinden, dem Antworten vorgekaut werden?
  • Wie sollen Menschen Veränderungen verstehen, wenn sie selbst nicht Hand anlegen müssen?
  • Wie sollen Menschen Veränderungen mittragen, wenn sie selbst nicht gefragt werden?
  • Wie sollen Menschen ihr Verhalten ändern, wenn sie sich nicht ausprobieren und im neuen Verhalten erproben dürfen?
  • Wie sollen Menschen kreativ und innovativ sein/bleiben/werden, wenn sie nicht in erträglichem Maße frustriert und hilflos gelassen werden?
  • Wie sollen Menschen wachsen oder gar über sich hinaus wachsen, wenn ihnen nicht vertraut wird?
  • Wie sollen Menschen unbefangen agieren, wenn ihnen (subtil) Dummheit, psychische Erkrankung, Böswilligkeit oder Faulheit unterstellt wird?
  • Wie soll Fortschritt entstehen, wenn aus Fehlern nicht gelernt werden kann? (Werden Fehler bestraft, passieren keine…)

Hilflosigkeit nagt am Selbstwert 

Will ein eigenständiges Wesen Zugehörigkeit und Aufmerksamkeit aus Mitleid? Sicher nicht. Geben sich Menschen permanent hilflos, haben sie dies als Erfolgsmuster entwickelt. Auch, wenn es ein Erfolgsmuster ist, das ganz entschieden den eigenen Selbstwert aushöhlt. Doch Erfolgsmuster sind nicht selten nur die Wahl des geringsten Übels. Doch woher kommt das?

Erlernte Hilflosigkeit: Wir verlieren den Wunsch nach Selbstregulation

Wer etwas vollbringen will, muss sich vor allem fokussieren. Fokus auf eine Sache bedeutet, alles andere für eine gewisse Zeit auszublenden (Impulskontrolle). Dazu auch über momentane Bedürfnisse und Befindlichkeiten hinweg gehen (Belohnungsaufschub und Frustrationstoleranz). Das lernen wir bereits in der Kindheit. Sollten wir. Bereits im alltäglichen sozialen Miteinander benötigen wir Selbstregulation, sonst würden wir in den einfachsten Situationen schlicht missverstanden und letztlich nicht akzeptiert. Durften wir dies lernen, entwickelt sich der Wunsch, sich immer wieder selbst zu regulieren, da wir gelernt haben, so Erfolge zu feiern. Also durch die selbst auferlegte Regulation von Bedürfnissen Kompetenzen zu entwickeln. Wir lernen: halten wir uns an unsere eigenen Vereinbarungen mit uns selbst, erschaffen wir uns neue, attraktive Umstände die uns beglücken. Es entsteht die wichtige und den Selbstwert ungemein fördernde Selbstwirksamkeitserwartung. Wurde uns allerdings durch Bevormundung beigebracht, wir könnten dauerhaft gewisse selbst regulierende Handlungen bei uns selbst nicht vornehmen, bleiben wir hilflos. Wie ein kleines Kind.

Aus der entwickelten Reife entsteht der Wunsch nach Selbstregulation.

Selbstregulation müssen wir lernen 

Ein kleines Kind braucht zum Umgang mit den eigenen Emotionen Erwachsene Bezugspersonen. Diese spiegeln mit ihren Reaktionen die Wirkungen der Gefühlsäußerungen auf andere an das Kind zurück. Sie helfen dem Kind auf vielerlei Weise wie Anteilnahme, mitmachen, verstärken, besänftigen, diskutieren, verhandeln, resolut sein usw., sich nach und nach immer besser selbst zu regulieren. Sich damit ohne größere Anstrengungen entspannt an Absprachen, Vereinbarungen, Regeln und Normen zu halten. In früher Kindheit kann das junge Gehirn das noch nicht selbst. Die Fähigkeit dazu entwickelt sich biologisch, Nachahmung und erzieherisch.

Das Kind: Identitätsentwicklung zur Selbstbestimmung

Über die Jahre erfahren Kind und Eltern wie Innigkeit und hohe Abhängigkeit des Kindes zu Gunsten von größer werdender Kompetenz zur Selbstregulation und damit Selbständigkeit abnehmen. Das Kind wird eigenständiger. Es entwickelt seine eigene Identität fernab der Eltern. Dies erfolgt gerade auch durch die Eltern als „Geber“ von Introjektion von Persönlichkeitsanteilen, Werten, Normen und Moralvorstellungen. Für das Kind ist das nicht nur höchst erstrebenswert. Es ist ein wesentlicher Schritt hin zu einem selbstbestimmten und eigenverantwortlichen Leben. Für Integrität, Selbstschutz und gesunde, bereichernde Beziehungen.

Die Eltern: Identitätsentwicklung hört niemals auf

Diese zunehmende Selbständigkeit und Unabhängigkeit des Kindes ist auch Chance und Aufruf für ein Wieder-selbständiger-Werden und ein Wieder-unabhängiger-Werden der Eltern. In ihrer Identitätsentwicklung sind sie nicht mehr Kleinkindeltern, die nonstop Tag und Nacht für alles Mögliche dringend gebraucht werden. Sie werden für das Kind immer unnötiger. Das ist gut für das Kind und gut für die Eltern. Denn auch „nach den Kindern“ gibt es ein Leben. Vollziehen die Eltern diesen Reifungsschritt nicht, werden sie immer das Gefühl haben, ihr Kind brauche sie ständig für alles Mögliche und Unmögliche. Folglich mischen sie sich auch ständig in das Leben ihrer Kinder ein. Anstatt sich um ihr eigenes Leben zu kümmern und es zunehmend unabhängig von den Kindern selbstbestimmt und eigenverantwortlich zu gestalten. Sie spielen für ihre Kinder unaufhörlich die Rolle der Regulatoren. Z.B. werden Vereinbarungen getroffen, das Kind wird auf diese jedoch nicht verpflichtet und die Eltern erinnern und ermahnen es und erledigen vorschnell selbst den Anteil des Kindes. Dadurch fühlen sie sich gebraucht (Helfersyndrom?). Das erreichen sie, indem sie ihr Bedürfnis, sich um ihr eigenes weiteres Leben zu kümmern und ihre Identitätsentwicklung hin zu „alten Eltern“ zu vollziehen, in das Kind projizieren. Sie sehen dort einen nie enden wollenden Bedarf zudringlicher Fürsorge und emotionalen Regulation. Erhalten sie damit für sich die Illusion von „ewig jungen Eltern“? Das Kind halten sie so infantil und in einem für beide Seiten ungesunden Abhängigkeitsverhältnis. Es lernt nicht, sich selbst zu regulieren und wird sich immer Menschen und Umstände suchen, in welchen es „reguliert wird“. Fehlen diese Regulatoren, fühlen sich die nun erwachsen gewordenen Kinder desorientiert, verloren und leer. Sie werden sich an Meinungen und Vorgaben anderer unreflektiert klammern und vielfältige, dichte Abhängigkeitsverhältnisse schaffen, die eine Selbstregulation weitgehend unnötig machen. Es entsteht die erlernte Hilflosigkeit. 

Gleiches geschieht, wenn die Eltern nie mit den Leistungen des Kindes zufrieden sind oder das Kind das Gefühl hat, nichts richtig machen zu können. Dann hört das Kind auf die Welt zu erforschen und traut sich am Ende gar nichts mehr. Auch das Überfordern von Kindern mit zu viel Verantwortung kann zu einer erlernten Hilflosigkeit führen. Denn das Kind lernt aus Selbstschutz: „Je weniger ich kann, für um so weniger werde ich verantwortlich gemacht.“ Hier erkennen wir die eingangs geschilderten Muster in der Berufswelt wieder.

Geringe Kompetenz der Selbstregulation erzeugt auch Übergriffigkeit

Brauchen wir immer jemanden, der uns bei unserer Selbstregulation hilft, können wir gar nicht wissen, wann wir uns in welchem Grad selbst regulieren sollten. Wir können dadurch auch gar nicht wissen, wann wir die Grenzen anderer überschreiten. Ergo, wenn andere unsere Grenzen überschreiten.

Beispiele geringer Selbstregulationskompetenz:

  • Ein Ehepartner, beteiligt sich – obwohl anders vereinbart – nur rudimentär und nachlässig an der Hausarbeit. Er lässt sich vom anderen Ehepartner immer wieder über den Sysiphoscharakter der Hausarbeit aufklären und ständig daran erinnern und ermahnen. 
  • Ein Ehepartner ohne eigenes Einkommen tätigt ständig Ausgaben für überflüssige Dinge. Er lässt sich vom anderen Ehepartner immer wieder über den Zusammenhang von anstrengender Arbeit und Einkommen erinnern und ermahnen.
  • In der Schule gibt es Regeln und Vereinbarungen werden getroffen. Manche Schüler/innen halten sich nicht daran. Sie werden beständig von Lehrer/innen an diese erinnert, erleben jedoch erst sehr spät Konsequenzen (Helfersyndrom?). Die Schüler/innen fassen die Konsequenzen dann als unfair und nicht wertschätzend genug übermittelt auf. Ihren eigenen Anteil daran, sich an Regeln einer Gemeinschaft und gemeinsam getroffene Vereinbarungen zu halten, und damit ihr eigene unfaires und unhöfliches Verhalten, sehen sie nicht. (Gemeint ist hier nicht das völlig normale und gesunde Austesten von Grenzen in diesem Alter!) Die Schüler/innen beschweren sich bei ihren Eltern. Diese, sich als Emotionsregulatoren ihrer Kinder begreifend, können nur „Schuld“ bei den Lehrer/innen sehen, die nicht, wie sie selbst, endlos die Regulation ihrer Kinder vornehmen. Die Eltern vorverurteilen die Lehrer/innen, hören sich sich deren Sichtweise gar nicht an und beauftragen sofort einen Rechtsbeistand, der den Staat als letzte regulatorische Instanz einschaltet. Die Eltern können sich und ihre Emotionen, identisch wie ihre Kinder, nicht selbst regulieren. Sonst würden sie die Lehrer/innen nach deren Wahrnehmung fragen. Verständlich, denn da würden sie bei ihren eigenen Defiziten ertappt. Was sie wegen ihrem geringen Selbstwert nicht aushalten.
  • Eine Gruppe Schüler trifft eigenverantwortlich eine Vereinbarung. Die Begleitperson bleibt vereinbarungsgemäß unbeteiligt. Wenig später hat ein Schüler eine Idee, die der Vereinbarung zu wider läuft und für die Gruppe keinerlei Vorteile hat; im Gegenteil. Der Begleiter erinnert die Gruppe an ihre Vereinbarung. Der Schüler reagiert eingeschnappt, weil er nicht tun darf wozu er Lust hat und beschuldigt den Begleiter unfairen Verhaltens.
  • Eine Führungskraft nimmt sich um den Streit zwischen zwei Mitarbeitenden nur wenig konsequent an. Der Streit währt. Er beauftragt eine Mediation. Die Führungskraft, die Streitenden und das „Unternehmen als Organismus“ lernen nicht, sich an die eigenen Werte zu halten. Selbstregulation wird nur durch die Abhängigkeit von einer externen Instanz erreicht. Die selbst gegebenen Werte werden nicht als verbindlich wahr genommen. Eine Stärkung der Identität als Unternehmen sowie der Führungskompetenz wird nicht erreicht. Nehmen wir noch weitere Kindheitsmuster hinzu könnten wir noch entdecken: Männer können zwar streiten, doch nicht schlichten (Führungskraft). Dazu sind Frauen (z.B. Mediatorin) nötig.
  • In einem Team werden Vereinbarungen zur weiteren Vorgehensweise getroffen. Ein Teil im Team hält sich nachhaltig daran, packt die notwendigen Dinge an und berichtet den aktuellen Stand. Der andere Teil verhält sich zu Beginn identisch. Doch nach und nach lässt das Engagement nach, denn Hindernisse stellen sich ein. Die ursächlich getroffenen Vereinbarungen lassen sich so nicht mehr sinnvoll aufrecht erhalten. Doch niemand packt die Anpassung der alten Vereinbarungen an. Die Führungskraft versäumt es, ein wirkungsvolles und unterstützendes Monitoring zu etablieren. Letztlich schafft die Führungskraft unter Aufbietung erheblicher eigener Arbeit und der Mehrleistung von (immer den selben) Teammitglieder, dass die Vereinbarungen zumindest im vertretbaren Maße umgesetzt werden. Das Team lernt nicht, geschlossen an seinen selbst getroffenen Vereinbarungen zu arbeiten und ggf. nötige Anpassungen vorzunehmen. Motivation und Engagement sinken. Die Führungskraft übernimmt stellvertretend die Rolle der Selbstregulation. Dadurch kann sie Leid und Wichtigkeit kundtun: „Ich bin so im Stress!“ (Selbsterhöhung auf Kosten anderer, Helfersyndorm?). Wahre Führungskompetenz könnte durch sinnvolle (Abstimmungs-)Prozesse bewiesen werden.
  • Mitarbeitende fragen immer wieder die gleichen Dinge andere, (vermeintlich) kompetentere Kollegen/innen bzw. die Leitung. Die Gefragten beschweren sich darüber, da dies sie überlastet und ermüdet. Es raubt Zeit und Energie immer wieder die selben Erklärungen abgeben zu müssen. Die Gefragten fühlen sich dadurch jedoch gebraucht und somit wichtig (Helfersyndrom?). Die Fragenden vermeiden das Risiko eigener Fehler, da sie lediglich ausführen und nicht selbst entscheiden. Auch entziehen sie sich wirkungsvoll dem Risiko, verantwortungsvollere Aufgaben übertragen zu bekommen.

Wer Selbstregulation entzieht, leidet selbst

Beide Seiten leiden unter einer nicht adäquat entwickelten oder wieder verkümmerten Selbstregulation. Sie lassen ein ungesundes Abhängigkeitsverhältnis entstehen. Die eine Seite braucht externe Regulation, weil sie gelernt hat, alles andere ist zu gefährlich. Die andere Seite bietet endlose Regulation weil sie sich vor Verantwortungsübernahme für sich selbst scheut und deshalb gebraucht werden will. Sie hält das Gegenüber unmündig und zieht daraus ihre Existenzberechtigung.

Wie geht es besser?

  • Es wird vertraut: Nur wer sich selbst vertraut, z.B. weil er weiß, er kann sich selbst regulieren, kann anderen vertrauen.
  • Niemand wird vorverurteilt. Es werden stets beste Absichten angenommen: Auch dies gelingt nur, wenn man selbst diese hat.
  • Ist das Miteinander wertschätzend, besteht Wissen und Einsicht über die Bedürfnisse des jeweils anderen und die Ziele der Gemeinschaft. (Ja, auch eine Familie hat Ziele. Egal, ob sie bewusst sind. Welche könnten das wohl sein?): Nur, wer seine eigenen Bedürfnisse kennt, kann die anderer wertschätzen. Das Bekenntnis zu gemeinsamen Zielen ist durchaus herausfordernd. 
  • Es wird niemand in eine Rolle oder Abhängigkeit gedrängt, die ihm weder würdig noch für ihn gesund ist.
  • Es wird vertraut, dass jeder seine Selbstregulation entwickeln kann.
  • Jeder wird in seiner Eigenverantwortung belassen.
  • Eigenverantwortung und damit Selbstregulation wird vorgelebt, unterstützt und eingefordert.

Fazit

Wer in der Kindheit gelernt hat „durch Selbstregulation werden Ziele erreichbar“, der wird sich nicht freiwillig in ein Umfeld begeben, das ihn in einem hilfebedürftigen Status drängt.

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